Áèáëèîòåêà õóäîæåñòâåííîé ëèòåðàòóðû

Ñòàðàÿ áèáëèîòåêà õóäîæåñòâåííîé ëèòåðàòóðû

Ïîèñê ïî ôàìèëèè àâòîðà:

À Á Â Ã Ä Å-¨ Æ Ç È-É Ê Ë Ì Í Î Ï Ð Ñ Ò Ó Ô Õ Ö × Ø-Ù Ý Þ ß


×èòàëüíûé çàë:

    Johann Wolfgang Goethe. Egmont

Ein Trauerspiel in fö¼nf Aufzö¼gen -------------------------------------------------------------------------------- Personen: Margarete von Parma, Tochter Karls des Fö¼nften, Regentin der Niederlande Graf Egmont, Prinz von Gaure Wilhelm von Oranien Herzog von Alba Ferdinand, sein natö¼rlicher Sohn Machiavell, im Dienste der Regentin Richard, Egmonts Geheimschreiber Silva und Gomez, unter Alba dienend Klö¤rchen, Egmonts Geliebte Ihre Mutter Brackenburg, ein Bö¼rgerssohn Soest, Krö¤mer, Bö¼rger von Brö¼ssel Jetter, Schneider, Bö¼rger von Brö¼ssel Zimmermann und Seifensieder, Bö¼rger von Brö¼ssel Buyck, Soldat unter Egmont Ruysum, Invalide und taub Vansen, ein Schreiber Volk, Gefolge, Wachen usw. -------------------------------------------------------------------------------- Erster Aufzug ArmbrustschieöŸen Soldaten und Bö¼rger mit Armbrö¼sten Jetter, Bö¼rger von Brö¼ssel, Schneider, tritt vor und spannt die Armbrust. Soest, Bö¼rger von Brö¼ssel, Krö¤mer. Soest. Nun schieöŸt nur hin, daöŸ es alle wird! Ihr nehmt mir's doch nicht! Drei Ringe schwarz, die habt Ihr Eure Tage nicht geschossen. Und so wö¤r' ich fö¼r dies Jahr Meister. Jetter. Meister und Kö¶nig dazu. Wer miöŸgö¶nnt's Euch? Ihr sollt dafö¼r auch die Zeche doppelt bezahlen; Ihr sollt Eure Geschicklichkeit bezahlen, wie's 'recht ist. (Buyck, ein Hollö¤nder, Soldat unter Egmont.) Buyck. Jetter, den SchuöŸ handl' ich Euch ab, teile den Gewinst, traktiere die Herren: ich bin so schon lange hier und fö¼r viele Hö¶flichkeit Schuldner. Fehl ich, so ist's, als wenn Ihr geschossen hö¤ttet. - Soest. Ich sollte dreinreden: denn eigentlich verlier ich dabei. Doch, Buyck, nur immerhin. Buyck (schieöŸt). Nun, Pritschmeister, Reverenz! - Eins! Zwei! Drei! Vier! Soest. Vier Ringe? Es sei! Alle. Vivat, Herr Kö¶nig, hoch! und abermal hoch! Buyck. Danke, ihr Herren. Wö¤re Meister zu viel! Danke fö¼r die Ehre. Jetter. Die habt Ihr Euch selbst zu danken. (Ruysum, ein Frieslö¤nder, Invalide und taub.) Ruysum. DaöŸ ich euch sage! Soest. Wie ist's, Alter? Ruysum. DaöŸ ich euch sage! - Er schieöŸt wie sein Herr, er schieöŸt wie Egmont. Buyck. Gegen ihn bin ich nur ein armer Schlucker. Mit der Bö¼chse trifft er erst, wie keiner in der Welt. Nicht etwa, wenn er Glö¼ck oder gute Laune hat; nein! wie er anlegt, immer rein schwarz geschossen. Gelernt habe ich von ihm. Das wö¤re auch ein Kerl, der bei ihm diente und nichts von ihm lernte. - Nicht zu vergessen, meine Herren! Ein Kö¶nig nö¤hrt seine Leute; und so, auf des Kö¶nigs Rechnung, Wein her! Jetter. Es ist unter uns ausgemacht, daöŸ jeder - Buyck. Ich bin fremd und Kö¶nig, und achte eure Gesetze und Herkommen nicht. Jetter. Du bist ja ö¤rger als der Spanier; der hat sie uns doch bisher lassen mö¼ssen. Ruysum. Was? Soest (laut). Er will uns gastieren; er will nicht haben, daöŸ wir zusammenlegen und der Kö¶nig nur das Doppelte zahlt. Ruysum. LaöŸt ihn! doch ohne Prö¤judiz! Das ist auch seines Herrn Art, splendid zu sein und es laufen zu lassen, wo es gedeiht. (Sie bringen Wein.) Alle. Ihro Majestö¤t Wohl! Hoch! Jetter (zu Buyck). Versteht sich: Eure Majestö¤t. Buyck. Danke von Herzen, wenn's doch so sein soll. Soest. Wohl! Denn unserer spanischen Majestö¤t Gesundheit trinkt nicht leicht ein Niederlö¤nder von Herzen. Ruysum. Wer? Soest (laut). Philipps des Zweiten, Kö¶nigs in Spanien. Ruysum. Unser allergnö¤digster Kö¶nig und Herr! Gott geb' ihm langes Leben. Soest. Hattet Ihr seinen Herrn Vater, Karl den Fö¼nften, nicht lieber? Ruysum. Gott trö¶st' ihn! Das war ein Herr! Er hatte die Hand ö¼ber den ganzen Erdboden und war euch alles in allem; und wenn er euch begegnete, so grö¼öŸt' er euch wie ein Nachbar den andern; und wenn ihr erschrocken wart, wuöŸt' er mit so guter Manier - ja, versteht mich - Er ging aus, ritt aus, wie's ihm einkam, gar mit wenig Leuten. Haben wir doch alle geweint, wie er seinem Sohn das Regiment hier abtrat - sagt' ich, versteht mich - der ist schon anders, der ist majestö¤tischer. Jetter. Er lieöŸ sich nicht sehen, da er hier war, als in Prunk und kö¶niglichem Staate. Er spricht wenig, sagen die Leute. Soest. Es ist kein Herr fö¼r uns Niederlö¤nder. Unsre Fö¼rsten mö¼ssen froh und frei sein wie wir, leben und leben lassen. Wir wollen nicht verachtet noch gedruckt sein, so gutherzige Narren wir auch sind. Jetter. Der Kö¶nig, denk ich, wö¤re wohl ein gnö¤diger Herr, wenn er nur bessere Ratgeber hö¤tte. Soest. Nein, nein! Er hat kein Gemö¼t gegen uns Niederlö¤nder, sein Herz ist dem Volke nicht geneigt, er liebt uns nicht; wie kö¶nnen wir ihn wiederlieben? Warum ist alle Welt dem Grafen Egmont so hold? Warum trö¼gen wir ihn alle auf den Hö¤nden? Weil man ihm ansieht, daöŸ er uns wohlwill; weil ihm die Frö¶hlichkeit, das freie Leben, die gute Meinung aus den Augen sieht; weil er nichts besitzt, das er dem Dö¼rftigen nicht mitteilte, auch dem, der's nicht bedarf. LaöŸt den Grafen Egmont leben! Buyck, an Euch ist's, die erste Gesundheit zu bringen! Bringt Eures Herrn Gesundheit aus. Buyck. Von ganzer Seele denn: Graf Egmont hoch! Ruysum. öœberwinder bei St. Quintin. Buyck. Dem Helden von Gravelingen! Alle. Hoch! Ruysum. St. Quintin war meine letzte Schlacht. ich konnte kaum mehr fort, kaum die schwere Bö¼chse mehr schleppen. Hab ich doch den Franzosen noch eins auf den Pelz gebrennt, und da kriegt' ich zum Abschied noch einen StreifschuöŸ ans rechte Bein. Buyck. Gravelingen! Freunde! da ging's frisch! Den Sieg haben wir allein. Brannten und sengten die welschen Hunde nicht durch ganz Flandern? Aber ich mein, wir trafen sie! Ihre alten, handfesten Kerle hielten lange wider, und wir drö¤ngten und schossen und hieben, daöŸ sie die Mö¤uler verzerrten und ihre Linien zuckten. Da ward Egmont das Pferd unter dem Leibe niedergeschossen, und wir stritten lange hinö¼ber herö¼ber, Mann fö¼r Mann, Pferd gegen Pferd, Haufe mit Haufe, auf dem breiten flachen Sand an der See hin. Auf einmal kam's, wie vom Himmel herunter, von der Mö¼ndung des Flusses, bav, bau! immer mit Kanonen in die Franzosen drein. Es waren Englö¤nder, die unter dem Admiral Malin von ungefö¤hr von Dö¼nkirchen her vorbeifuhren. Zwar viel halfen sie uns nicht; sie konnten nur mit den kleinsten Schiffen herbei, und das nicht nah genug; schossen auch wohl unter uns - Es tat doch gut! Es brach die Welschen und hob unsern Mut. Da ging's! Rick! rack! herö¼ber, hinö¼ber! Alles totgeschlagen, alles ins Wasser gesprengt. Und die Kerle ersoffen, wie sie das Wasser schmeckten; und was wir Hollö¤nder waren, gerad hintendrein. Uns, die wir beidlebig sind, ward erst wohl im Wasser wie den Frö¶schen; und immer die Feinde im FluöŸ zusammengehauen, weggeschossen wie die Enten. Was nun noch durchbrach, schlugen euch auf der Flucht die Bauerweiber mit Hacken und Mistgabeln tot. MuöŸte doch die welsche Majestö¤t gleich das Pfö¶tchen reichen und Friede machen. Und den Frieden seid ihr uns schuldig, dem groöŸen Egmont schuldig. Alle. Hoch! dem groöŸen Egmont hoch! und abermal hoch! und abermal hoch! Jetter. Hö¤tte man uns den statt der Margrete von Parma zum Regenten gesetzt! Soest. Nicht so! Wahr bleibt wahr! Ich lasse mir Margareten nicht schelten. Nun ist's an mir. Es lebe unsre gnö¤d'ge Frau! Alle. Sie lebe! Soest. Wahrlich, treffliche Weiber sind in dem Hause. Die Regentin lebe! Jetter. Klug ist sie, und mö¤öŸig in allem, was sie tut; hielte sie's nur nicht so steif und fest mit den Pfaffen. Sie ist doch auch mit, schuld, daöŸ wir die vierzehn neuen Bischofsmö¼tzen im Lande haben. Wozu die nur sollen? Nicht wahr, daöŸ man Fremde in die guten Stellen einschieben kann, wo sonst ö„bte aus den Kapiteln gewö¤hlt wurden? Und wir sollen glauben, es sei um der Religion willen. Ja, es hat sich. An drei Bischö¶fen hatten wir genug: da ging's ehrlich und ordentlich zu. Nun muöŸ doch auch jeder tun, als ob er nö¶tig wö¤re; und da setzt's allen Augenblick VerdruöŸ und Hö¤ndel. Und je mehr ihr das Ding rö¼ttelt und schö¼ttelt, desto trö¼ber wird's. (Sie trinken.) Soest. Das war nun des Kö¶nigs Wille; sie kann nichts davon- noch dazutun. Jetter. Da sollen wir nun die neuen Psalmen nicht singen. Sie sind wahrlich gar schö¶n in Reimen gesetzt und haben recht erbauliche Weisen. Die sollen wir nicht singen, aber Schelmenlieder, so viel wir wollen. Und warum? Es seien Ketzereien drin, sagen sie, und Sachen, Gott weiöŸ. Ich hab ihrer doch auch gesungen; es ist jetzt was Neues, ich hab nichts drin gesehen. Buyck. Ich wollte sie fragen! In unsrer Provinz singen wir, was wir wollen. Das macht, daöŸ Graf Egmont unser Statthalter ist; der fragt nach so etwas nicht. - In Gent, Ypern, durch ganz Flandern singt sie, wer Belieben hat. (Laut.) Es ist ja wohl nichts unschuldiger als ein geistlich Lied? Nicht wahr, Vater? Ruysum. Ei wohl! Es ist ja ein Gottesdienst, eine Erbauung. Jetter. Sie sagen aber, es sei nicht auf die rechte Art, nicht auf ihre Art; und gefö¤hrlich ist's doch immer, da lö¤öŸt man's lieber sein. Die Inquisitionsdiener schleichen herum und passen auf; mancher ehrliche Mann ist schon unglö¼cklich geworden. Der Gewissenszwang fehlte noch! Da ich nicht tun darf, was ich mö¶chte, kö¶nnen sie mich doch denken und singen lassen, was ich will. Soest. Die Inquisition kommt nicht auf. Wir sind nicht gemacht, wie die Spanier, unser Gewissen tyrannisieren zu lassen. Und der Adel muöŸ auch beizeiten suchen, ihr die Flö¼gel zu beschneiden. Jetter. Es ist sehr fatal. Wenn's den lieben Leuten einfö¤llt, in mein Haus zu stö¼rmen, und ich sitz an meiner Arbeit und summe just einen franzö¶sischen Psalm und denke nichts dabei, weder Gutes noch Bö¶ses; ich summe ihn aber, weil er mir in der Kehle ist: gleich bin ich ein Ketzer und werde eingesteckt. Oder ich gehe ö¼ber Land und bleibe bei einem Haufen Volks stehen, das einem neuen Prediger zuhö¶rt, einem von denen, die aus Deutschland gekommen sind: auf der Stelle heiöŸ ich ein Rebell und komme in Gefahr, meinen Kopf zu verlieren. Habt ihr je einen predigen hö¶ren? Soest. Wackre Leute. Neulich hö¶rt' ich einen auf dem Felde vor tausend und tausend Menschen sprechen. Das war ein ander Gekö¶ch, als wenn unsre auf der Kanzel herumtrommeln und die Leute mit lateinischen Brocken erwö¼rgen. Der sprach von der Leber weg; sagte, wie sie uns bisher hö¤tten bei der Nase herumgefö¼hrt, uns in der Dummheit erhalten, und wie wir mehr Erleuchtung haben kö¶nnten. - Und das bewies er euch alles aus der Bibel. Jetter. Da mag doch auch was dran sein. Ich sagt's immer selbst und grö¼belte so ö¼ber die Sache nach. Mir ist's lang im Kopf herumgegangen. Buyck. Es lö¤uft ihnen auch alles Volk nach. Soest. Das glaub ich, wo man was Gutes hö¶ren kann und was Neues. Jetter. Und was ist's denn nun? Man kann ja einen jeden predigen lassen nach seiner Weise. Buyck. Frisch, ihr Herren! öœber dem Schwö¤tzen vergeöŸt ihr den Wein und Oranien. Jetter. Den nicht zu vergessen. Das ist ein rechter Wall: wenn man nur an ihn denkt, meint man gleich, man kö¶nne sich hinter ihn verstecken und der Teufel brö¤chte einen nicht hervor. Hoch! Wilhelm von Oranien, hoch! Alle. Hoch! hoch! Soest. Nun, Alter, bring auch deine Gesundheit. Ruysum. Alte Soldaten! Alle Soldaten! Es lebe der Krieg! Buyck. Bravo, Alter! Alle Soldaten! Es lebe der Krieg! Jetter. Krieg! Krieg! WiöŸt ihr auch, was ihr ruft? DaöŸ es euch leicht vom Munde geht, ist wohl natö¼rlich; wie lumpig aber unsereinem dabei zumute ist, kann ich nicht sagen. Das ganze Jahr das Getrommel zu hö¶ren; und nichts zu hö¶ren, als wie da ein Haufen gezogen kommt und dort ein andrer, wie sie ö¼ber einen Hö¼gel kamen und bei einer Mö¼hle hielten, wieviel da geblieben sind, wieviel dort, und wie sie sich drö¤ngen, und einer gewinnt, der andere verliert, ohne daöŸ man sein Tage begreift, wer was gewinnt oder verliert. Wie eine Stadt eingenommen wird, die Bö¼rger ermordet werden, und wie's den armen Weibern, den unschuldigen Kindern ergeht. Das ist eine Not und Angst, man denkt jeden Augenblick: á»Da kommen sie! Es geht uns auch so.á« Soest. Drum muöŸ auch ein Bö¼rger immer in Waffen geö¼bt sein. Jetter. Ja, es ö¼bt sich, wer Frau und Kinder hat. Und doch hö¶r ich noch lieber von Soldaten, als ich sie sehe. Buyck. Das sollt' ich ö¼belnehmen. Jetter. Auf Euch ist's nicht gesagt, Landsmann. Wie wir die spanischen Besatzungen los waren, holten wir wieder Atem. Soest. Gelt! die lagen dir am schwersten auf? Jetter. Vexier' Er sich. Soest. Die hatten scharfe Einquartierung bei dir. Jetter. Halt dein Maul. Soest. Sie hatten ihn vertrieben aus der Kö¼che, dem Keller, der Stube - dem Bette. (Sie lachen.) Jetter. Du bist ein Tropf. Buyck. Friede, ihr Herren! MuöŸ der Soldat Friede rufen? - Nun da ihr von uns nichts hö¶ren wollt, nun bringt auch eure Gesundheit aus, eine bö¼rgerliche Gesundheit. Jetter. Dazu sind wir bereit! Sicherheit und Ruhe! Soest. Ordnung und Freiheit! Buyck. Brav! das sind auch wir zufrieden. (Sie stoöŸen an und wiederholen frö¶hlich die Worte, doch so, daöŸ jeder ein anders ausruft und es eine Art Kanon wird. Der Alte horcht und fö¤llt endlich auch mit ein.) Alle. Sicherheit und Ruhe! Ordnung und Freiheit! Palast der Regentin Margarete von Parma in Jagdkleidern. Hofleute. Pagen. Bediente. Regentin. Ihr stellt das Jagen ab, ich werde heut nicht reiten. Sagt Machiavellen, er soll zu mir kommen. (Alle gehen ab.) Der Gedanke an diese schrecklichen Begebenheiten lö¤öŸt mir keine Ruhe! Nichts kann mich ergetzen, nichts mich zerstreuen; immer sind diese Bilder, diese Sorgen vor mir. Nun wird der Kö¶nig sagen, dies sei'n die Folgen meiner Gö¼te, meiner Nachsicht; und doch sagt mir mein Gewissen jeden Augenblick, das Rö¤tlichste, das Beste getan zu haben. Sollte ich frö¼her mit dem Sturme des Grimmes diese Flammen anfachen und umhertreiben? Ich hoffte sie zu umstellen, sie in sich selbst zu verschö¼tten. Ja, was ich mir selbst sage, was ich wohl weiöŸ, entschuldigt mich vor mir selbst; aber wie wird es mein Bruder aufnehmen? Denn, ist es zu leugnen? Der öœbermut der fremden Lehrer hat sich tö¤glich erhö¶ht; sie haben unser Heiligtum gelö¤stert, die stumpfen Sinne des Pö¶bels zerrö¼ttet und den Schwindelgeist unter sie gebannt. Unreine Geister haben sich unter die Aufrö¼hrer gemischt, und schreckliche Taten sind geschehen, die zu denken schauderhaft ist, und die ich nun einzeln nach Hofe zu berichten habe, schnell und einzeln, damit mir der allgemeine Ruf nicht zuvorkomme, damit der Kö¶nig nicht denke, man wolle noch mehr verheimlichen. Ich sehe kein Mittel, weder strenges noch gelindes, dem öœbel zu steuern. O was sind wir GroöŸen auf der Woge der Menschheit? Wir glauben sie zu beherrschen, und sie treibt uns auf und nieder, hin und her. (Machiavell tritt auf.) Regentin. Sind die Briefe an den Kö¶nig aufgesetzt? Machiavell. In einer Stunde werdet Ihr sie unterschreiben kö¶nnen. Regentin. Habt Ihr den Bericht ausfö¼hrlich genug gemacht? Machiavell. Ausfö¼hrlich und umstö¤ndlich, wie es der Kö¶nig liebt. Ich erzö¤hle, wie zuerst um St. Omer die bilderstö¼rmerische Wut sich zeigt. Wie eine rasende Menge, mit Stö¤ben, Beilen, Hö¤mmern, Leitern, Stricken versehen, von wenig Bewaffneten begleitet, erst Kapellen, Kirchen und Klö¶ster anfallen, die Andö¤chtigen verjagen, die verschlossenen Pforten aufbrechen, alles umkehren, die Altö¤re niederreiöŸen, die Statuen der Heiligen zerschlagen, alle Gemö¤lde verderben, alles, was sie nur Geweihtes, Geheiligtes antreffen, zerschmettern, zerreiöŸen, zertreten. Wie sich der Haufe unterwegs vermehrt, die Einwohner von Ypern ihnen die Tore erö¶ffnen. Wie sie den Dom mit unglaublicher Schnelle verwö¼sten, die Bibliothek des Bischofs verbrennen. Wie eine groöŸe Menge Volks, von gleichem Unsinn ergriffen, sich ö¼ber Menin, Comines, Werwicq, Lille verbreitet, nirgend Widerstand findet, und wie fast durch ganz Flandern in einem Augenblicke die ungeheure Verschwö¶rung sich erklö¤rt und ausgefö¼hrt ist. Regentin. Ach, wie ergreift mich aufs neue der Schmerz bei deiner Wiederholung! Und die Furcht gesellt sich dazu, das öœbel werde nur grö¶öŸer und grö¶öŸer werden. Sagt mir Eure Gedanken, Machiavell! Machiavell. Verzeihen Eure Hoheit, meine Gedanken sehen Grillen so ö¤hnlich; und wenn Ihr auch immer mit meinen Diensten zufrieden wart, habt Ihr doch selten meinem Rat folgen mö¶gen. Ihr sagtet oft im Scherze: á»Du siehst zu weit, Machiavell! Du solltest Geschichtschreiber sein: wer handelt, muöŸ fö¼rs Nö¤chste sorgen.á« Und doch, habe ich diese Geschichte nicht vorauserzö¤hlt? Hab ich nicht alles vorausgesehen? Regentin. Ich sehe auch viel voraus, ohne es ö¤ndern zu kö¶nnen. Machiavell. Ein Wort fö¼r tausend: Ihr unterdrö¼ckt die neue Lehre nicht. LaöŸt sie gelten, sondert sie von den Rechtglö¤ubigen, gebt ihnen Kirchen, faöŸt sie in die bö¼rgerliche Ordnung, schrö¤nkt sie ein; und so habt Ihr die Aufrö¼hrer auf einmal zur Ruhe gebracht. Jede andern Mittel sind vergeblich, und Ihr verheert das Land. Regentin. Hast du vergessen, mit welchem Abscheu mein Bruder selbst die Frage verwarf, ob man die neue Lehre dulden kö¶nne? WeiöŸt du nicht, wie er mir in jedem Briefe die Erhaltung des wahren Glaubens aufs eifrigste empfiehlt? daöŸ er Ruhe und Einigkeit auf Kosten der Religion nicht hergestellt wissen will? Hö¤lt er nicht selbst in den Provinzen Spione, die wir nicht kennen, um zu erfahren, wer sich zu der neuen Meinung hinö¼berneigt? Hat er nicht zu unsrer Verwunderung uns diesen und jenen genannt, der sich in unsrer Nö¤he heimlich der Ketzerei schuldig machte? Befiehlt er nicht Strenge und Schö¤rfe? Und ich soll gelind sein? ich soll Vorschlö¤ge tun, daöŸ er nachsehe, daöŸ er dulde? Wö¼rde ich nicht alles Vertrauen, allen Glauben bei ihm verlieren? Machiavell. Ich weiöŸ wohl; der Kö¶nig befiehlt, er lö¤öŸt Euch seine Absichten wissen. Ihr sollt Ruhe und Friede wiederherstellen, durch ein Mittel, das die Gemö¼ter noch mehr erbittert, das den Krieg unvermeidlich an allen Enden anblasen wird. Bedenkt, was Ihr tut. Die grö¶öŸten Kaufleute sind angesteckt, der Adel, das Volk, die Soldaten. Was hilft es, auf seinen Gedanken beharren, wenn sich um uns alles ö¤ndert? Mö¶chte doch ein guter Geist Philippen eingeben, daöŸ es einem Kö¶nige anstö¤ndiger ist, Bö¼rger zweierlei Glaubens zu regieren, als sie durch einander aufzureiben. Regentin. Solch ein Wort nie wieder. Ich weiöŸ wohl, daöŸ Politik selten Treu und Glauben halten kann, daöŸ sie Offenheit, Gutherzigkeit, Nachgiebigkeit aus unsern Herzen ausschlieöŸt. In weltlichen Geschö¤ften ist das leider nur zu wahr; sollen wir aber auch mit Gott spielen wie unter einander? Sollen wir gleichgö¼ltig gegen unsre bewö¤hrte Lehre sein, fö¼r die so viele ihr Leben aufgeopfert haben? Die sollten wir hingeben an hergelaufne, ungewisse, sich selbst widersprechende Neuerungen? Machiavell. Denkt nur deswegen nicht ö¼bler von mir. Regentin. Ich kenne dich und deine Treue und weiöŸ, daöŸ einer ein ehrlicher und verstö¤ndiger Mann sein kann, wenn er gleich den nö¤chsten besten Weg zum Heil seiner Seele verfehlt hat. Es sind noch andere, Machiavell, Mö¤nner, die ich schö¤tzen und tadeln muöŸ. Machiavell. Wen bezeichnet Ihr mir? Regentin. Ich kann es gestehen, daöŸ mir Egmont heute einen recht innerlichen tiefen VerdruöŸ erregte. Machiavell. Durch welches Betragen? Regentin. Durch sein gewö¶hnliches, durch Gleichgö¼ltigkeit und Leichtsinn. Ich erhielt die schreckliche Botschaft, eben als ich, von vielen und ihm begleitet, aus der Kirche ging. Ich hielt meinen Schmerz nicht an, ich beklagte mich laut und rief, indem ich mich zu ihm wendete. á»Seht, was in Eurer Provinz entsteht! Das duldet Ihr, Graf, von dem der Kö¶nig sich alles versprach?á« Machiavell. Und was antwortete er? Regentin. Als wenn es nichts, als wenn es eine Nebensache wö¤re, versetzte er: á»Wö¤ren nur erst die Niederlö¤nder ö¼ber ihre Verfassung beruhigt! Das ö¼brige wö¼rde sich leicht geben.á« Machiavell. Vielleicht hat er wahrer als klug und fromm gesprochen. Wie soll Zutrauen entstehen und bleiben, wenn der Niederlö¤nder sieht, daöŸ es mehr um seine Besitztö¼mer als um sein Wohl, um seiner Seele Heil zu tun ist? Haben die neuen Bischö¶fe mehr Seelen gerettet, als fette Pfrö¼nden geschmaust, und sind es nicht meist Fremde? Noch werden alle Statthalterschaften mit Niederlö¤ndern besetzt; lassen sich es die Spanier nicht zu deutlich merken, daöŸ sie die grö¶öŸte, unwiderstehlichste Begierde nach diesen Stellen empfinden? Will ein Volk nicht lieber nach seiner Art von den Seinigen regieret werden als von Fremden, die erst im Lande sich wieder Besitztö¼mer auf Unkosten aller zu erwerben suchen, die einen fremden MaöŸstab mitbringen und unfreundlich und ohne Teilnehmung herrschen? Regentin. Du stellst dich auf die Seite der Gegner. Machiavell. Mit dem Herzen gewiöŸ nicht; und wollte, ich kö¶nnte mit dem Verstande ganz auf der unsrigen sein. Regentin. Wenn du so willst, so tö¤t' es not, ich trö¤te ihnen meine Regentschaft ab; denn Egmont und Oranien machten sich groöŸe Hoffnung, diesen Platz einzunehmen. Damals waren sie Gegner; jetzt sind sie gegen mich verbunden, sind Freunde, unzertrennliche Freunde geworden. Machiavell. Ein gefö¤hrliches Paar. Regentin. Soll ich aufrichtig reden: ich fö¼rchte Oranien, und ich fö¼rchte fö¼r Egmont. Oranien sinnt nichts Gutes, seine Gedanken reichen in die Ferne, er ist heimlich, scheint alles anzunehmen, widerspricht nie, und in tiefster Ehrfurcht, mit grö¶öŸter Vorsicht tut er, was ihm beliebt. Machiavell. Recht im Gegenteil geht Egmont einen freien Schritt, als wenn die Welt ihm gehö¶rte. Regentin. Er trö¤gt das Haupt so hoch, als wenn die Hand der Majestö¤t nicht ö¼ber ihm schwebte. Machiavell. Die Augen des Volks sind alle nach ihm gerichtet, und die Herzen hö¤ngen an ihm. Regentin. Nie hat er einen Schein vermieden; als wenn niemand Rechenschaft von ihm zu fordern hö¤tte. Noch trö¤gt er den Namen Egmont. Graf Egmont freut ihn sich nennen zu hö¶ren; als wollte er nicht vergessen, daöŸ seine Vorfahren Besitzer von Geldern waren. Warum nennt er sich nicht Prinz von Gaure, wie es ihm zukommt? Warum tut er das? Will er erloschne Rechte wieder geltend machen? Machiavell. Ich halte ihn fö¼r einen treuen Diener des Kö¶nigs. Regentin. Wenn er wollte, wie verdient kö¶nnte er sich um die Regierung machen; anstatt daöŸ er uns schon, ohne sich zu nutzen, unsö¤glichen VerdruöŸ gemacht hat. Seine Gesellschaften, Gastmahle und Gelage haben den Adel mehr verbunden und verknö¼pft als die gefö¤hrlichsten heimlichen Zusammenkö¼nfte. Mit seinen Gesundheiten haben die Gö¤ste einen dauernden Rausch, einen nie sich verziehenden Schwindel geschö¶pft. Wie oft setzt er durch seine Scherzreden die Gemö¼ter des Volks in Bewegung, und wie stutzte der Pö¶bel ö¼ber die neuen Livreen, ö¼ber die tö¶richten Abzeichen der Bedienten! Machiavell. Ich bin ö¼berzeugt, es war ohne Absicht. Regentin. Schlimm genug. Wie ich sage: er schadet uns und nö¼tzt sich nicht. Er nimmt das Ernstliche scherzhaft; und wir, um nicht mö¼öŸig und nachlö¤ssig zu scheinen, mö¼ssen das Scherzhafte ernstlich nehmen. So hetzt eins das andre; und was man abzuwenden sucht, das macht sich erst recht. Er ist gefö¤hrlicher als ein entschiednes Haupt einer Verschwö¶rung; und ich mö¼öŸte mich sehr irren, wenn man ihm bei Hofe nicht alles gedenkt. Ich kann nicht leugnen, es vergeht wenig Zeit, daöŸ er mich nicht empfindlich, sehr empfindlich macht. Machiavell. Er scheint mir in allem nach seinem Gewissen zu handeln. Regentin. Sein Gewissen hat einen gefö¤lligen Spiegel. Sein Betragen ist oft beleidigend. Er sieht oft aus, als wenn er in der vö¶lligen öœberzeugung lebe, er sei Herr und wolle es uns nur aus Gefö¤lligkeit nicht fö¼hlen lassen, wolle uns so gerade nicht zum Lande hinausjagen; es werde sich schon geben. Machiavell. Ich bitte Euch, legt seine Offenheit, sein glö¼ckliches Blut, das alles Wichtige leicht behandelt, nicht zu gefö¤hrlich aus. Ihr schadet nur ihm und Euch. Regentin. Ich lege nichts aus. Ich spreche nur von den unvermeidlichen Folgen, und ich kenne ihn. Sein niederlö¤ndischer Adel und sein Golden Vlies vor der Brust stö¤rken sein Vertrauen, seine Kö¼hnheit. Beides kann ihn vor einem schnellen, willkö¼rlichen Unmut des Kö¶nigs schö¼tzen. Untersuch es genau; an dem ganzen Unglö¼ck, das Flandern trifft, ist er doch nur allein schuld. Er hat zuerst den fremden Lehrern nachgesehn, hat's so genau nicht genommen und vielleicht sich heimlich gefreut, daöŸ wir etwas zu schaffen hatten. LaöŸ mich nur; was ich auf dem Herzen habe, soll bei dieser Gelegenheit davon. Und ich will die Pfeile nicht umsonst verschieöŸen; ich weiöŸ, wo er empfindlich ist. Er ist auch empfindlich. Machiavell. Habt Ihr den Rat zusammenberufen lassen? Kommt Oranien auch? Regentin. Ich habe nach Antwerpen um ihn geschickt. Ich will ihnen die Last der Verantwortung nahe genug zuwö¤lzen; sie sollen sich mit mir dem öœbel ernstlich entgegensetzen oder sich auch als Rebellen erklö¤ren. Eile, daöŸ die Briefe fertig werden, und bringe mir sie zur Unterschrift. Dann sende schnell den bewö¤hrten Vaska nach Madrid; er ist unermö¼det und treu; daöŸ mein Bruder zuerst durch ihn die Nachricht erfahre, daöŸ der Ruf ihn nicht ö¼bereile. Ich will ihn selbst noch sprechen, eh' er abgeht. Machiavell. Eure Befehle sollen schnell und genau befolgt werden. Bö¼rgerhaus Klare. Klarens Mutter. Brackenburg. Klare. Wollt Ihr mir nicht das Garn halten, Brackenburg? Brackenburg. Ich bitt Euch, verschont mich, Klö¤rchen. Klare. Was habt Ihr wieder? Warum versagt Ihr mir diesen kleinen Liebesdienst? Brackenburg. Ihr bannt mich mit dem Zwirn so fest vor Euch hin, ich kann Euern Augen nicht ausweichen. Klare. Grillen! kommt und haltet! Mutter (im Sessel strickend). Singt doch eins! Brackenburg sekundiert so hö¼bsch. Sonst wart ihr lustig, und ich hatte immer was zu lachen. Brackenburg. Sonst. Klare. Wir wollen singen. Brackenburg. Was Ihr wollt. Klare. Nur hö¼bsch munter und frisch weg! Es ist ein Soldatenliedchen, mein Leibstö¼ck. (Sie wickelt Garn und singt mit Brackenburg.) Die Trommel gerö¼hret! Das Pfeifchen gespielt! Mein Liebster gewaffnet Dem Haufen befiehlt, Die Lanze hoch fö¼hret, Die Leute regieret. Wie klopft mir das Herze! Wie wallt mir das Blut! O hö¤tt' ich ein Wö¤mslein Und Hosen und Hut! Ich folgt' ihm zum Tor 'naus Mit mutigem Schritt, Ging' durch die Provinzen, Ging' ö¼berall mit. Die Feinde schon weichen, Wir schieöŸen darein. Welch Glö¼ck sondergleichen, Ein Mannsbild zu sein! (Brackenburg hat unter dem Singen Klö¤rchen oft angesehen; zuletzt bleibt ihm die Stimme stocken, die Trö¤nen kommen ihm in die Augen, er lö¤öŸt den Strang fallen und geht ans Fenster. Klö¤rchen singt das Lied allein aus, die Mutter winkt ihr halb unwillig, sie steht auf, geht einige Schritte nach ihm hin, kehrt halb unschlö¼ssig wieder um und setzt sich.) Mutter. Was gibt's auf der Gasse, Brackenburg? Ich hö¶re marschieren. Brackenburg. Es ist die Leibwache der Regentin. Klare. Um diese Stunde? was soll das bedeuten? (Sie steht auf und geht an das Fenster zu Brackenburg.) Das ist nicht die tö¤gliche Wache, das sind weit mehr! Fast alle ihre Haufen. O Brackenburg, geht! hö¶rt einmal, was es gibt. Es muöŸ etwas Besonderes sein. Geht, guter Brackenburg, tut mir den Gefallen. Brackenburg. Ich gehe! Ich bin gleich wieder da (Er reicht ihr abgehend die Hand; sie gibt ihm die ihrige.) Mutter. Du schickst ihn schon wieder weg. Klare. Ich bin neugierig; und auch, verdenkt mir's nicht, seine Gegenwart tut mir weh. Ich weiöŸ immer nicht, wie ich mich gegen ihn betragen soll. Ich habe unrecht gegen ihn, und mich nagt's am Herzen, daöŸ er es so lebendig fö¼hlt. - Kann ich's doch nicht ö¤ndern! Mutter. Es ist ein so treuer Bursche. Klare. Ich kann's auch nicht lassen, ich muöŸ ihm freundlich begegnen. Meine Hand drö¼ckt sich oft unversehens zu, wenn die seine mich so leise, so liebevoll anfaöŸt. Ich mache mir Vorwö¼rfe, daöŸ ich ihn betriege, daöŸ ich in seinem Herzen eine vergebliche Hoffnung nö¤hre. Ich bin ö¼bel dran. WeiöŸ Gott, ich betrieg ihn nicht. Ich will nicht, daöŸ er hoffen soll, und ich kann ihn doch nicht verzweifeln lassen. Mutter. Das ist nicht gut. Klare. Ich hatte ihn gern und will ihm auch noch wohl in der Seele. Ich hö¤tte ihn heiraten kö¶nnen und glaube, ich war nie in ihn verliebt. Mutter. Glö¼cklich wö¤rst du immer mit ihm gewesen. Klare. Wö¤re versorgt und hö¤tte ein ruhiges Leben. Mutter. Und das ist alles durch deine Schuld verscherzt. Klare. Ich bin in einer wunderlichen Lage. Wenn ich so nachdenke, wie es gegangen ist, weiöŸ ich's wohl und weiöŸ es nicht. Und dann darf ich Egmont nur wieder ansehen, wird mir alles sehr begreiflich, ja wö¤re mir weit mehr begreiflich. Ach, was ist's ein Mann! Alle Provinzen beten ihn an, und ich in seinem Arm sollte nicht das glö¼cklichste Geschö¶pf von der Welt sein? Mutter. Wie wird's in der Zukunft werden? Klare. Ach, ich frage nur, ob er mich liebt; und ob er mich liebt, ist das eine Frage? Mutter. Man hat nichts als Herzensangst mit seinen Kindern. Wie das ausgehen wird! Immer Sorge und Kummer! Es geht nicht gut aus! Du hast dich unglö¼cklich gemacht! mich unglö¼cklich gemacht. Klare (gelassen). Ihr lieöŸet es doch im Anfange. Mutter. Leider war ich zu gut, bin immer zu gut. Klare. Wenn Egmont vorbeiritt und ich ans Fenster lief, schaltet Ihr mich da? Tratet Ihr nicht selbst ans Fenster? Wenn er heraufsah, lö¤chelte, nickte, mich grö¼öŸte: war es Euch zuwider? Fandet Ihr Euch nicht selbst in Eurer Tochter geehrt? Mutter. Mache mir noch Vorwö¼rfe. Klare (gerö¼hrt). Wenn er nun ö¶fter die StraöŸe kam, und wir wohl fö¼hlten, daöŸ er um meinetwillen den Weg machte, bemerktet Ihr's nicht selbst mit heimlicher Freude? Rieft Ihr mich ab, wenn ich hinter den Scheiben stand und ihn erwartete? Mutter. Dachte ich, daöŸ es so weit kommen sollte? Klare (mit stockender Stimme und zurö¼ckgehaltenen Trö¤nen). Und wie er uns abends, in den Mantel eingehö¼llt, bei der Lampe ö¼berraschte, wer war geschö¤ftig, ihn zu empfangen, da ich auf meinem Stuhl wie angekettet und staunend sitzen blieb? Mutter. Und konnte ich fö¼rchten, daöŸ diese unglö¼ckliche Liebe das kluge Klö¤rchen so bald hinreiöŸen wö¼rde? Ich muöŸ es nun tragen, daöŸ meine Tochter - Klare (mit ausbrechenden Trö¤nen). Mutter! Ihr wollt's nun! Ihr habt Eure Freude, mich zu ö¤ngstigen. Mutter (weinend). Weine noch gar! Mache mich noch elender durch deine Betrö¼bnis. Ist mir's nicht Kummer genug, daöŸ meine einzige Tochter ein verworfenes Geschö¶pf ist? Klare (aufstehend und kalt). Verworfen! Egmonts Geliebte verworfen? - Welche Fö¼rstin neidete nicht das arme Klö¤rchen um den Platz an seinem Herzen! O Mutter - meine Mutter, so redetet Ihr sonst nicht. Liebe Mutter, seid gut! Das Volk, was das denkt, die Nachbarinnen, was die murmeln - Diese Stube, dieses kleine Haus ist ein Himmel, seit Egmonts Liebe drin wohnt. Mutter. Man muöŸ ihm hold sein! das ist wahr. Er ist immer so freundlich, frei und offen. Klare. Es ist keine falsche Ader an ihm. Seht, Mutter, und er ist doch der groöŸe Egmont. Und wenn er zu mir kommt, wie er so lieb ist, so gut! wie er mir seinen Stand, seine Tapferkeit gerne verbö¤rge! wie er um mich besorgt ist! so nur Mensch, nur Freund, nur Liebster. Mutter. Kommt er wohl heute? Klare. Habt Ihr mich nicht oft ans Fenster gehen sehn? Habt Ihr nicht bemerkt, wie ich horche, wenn's an der Tö¼r rauscht? - Ob ich schon weiöŸ, daöŸ er vor Nacht nicht kommt, vermut ich ihn doch jeden Augenblick, von morgens an, wenn ich aufstehe. Wö¤r' ich nur ein Bube und kö¶nnte immer mit ihm gehen, zu Hofe und ö¼berall hin! Kö¶nnt' ihm die Fahne nachtragen in der Schlacht! - Mutter. Du warst immer so ein Springinsfeld; als ein kleines Kind schon, bald toll, bald nachdenklich. Ziehst du dich nicht ein wenig besser an? Klare. Vielleicht, Mutter! wenn ich Langeweile habe! - Gestern, denkt, gingen von seinen Leuten vorbei und sangen Lobliedchen auf ihn. Wenigstens war sein Name in den Liedern! das ö¼brige konnte ich nicht verstehn. Das Herz schlug mir bis an den Hals - Ich hö¤tte sie gern zurö¼ckgerufen, wenn ich mich nicht geschö¤mt hö¤tte. Mutter. Nimm dich in acht! Dein heftiges Wesen verdirbt noch alles; du verrö¤tst dich offenbar vor den Leuten. Wie neulich bei dem Vetter, wie du den Holzschnitt und die Beschreibung fandst und mit einem Schrei riefst: á»Graf Egmont!á« - Ich ward feuerrot. Klare. Hö¤tt' ich nicht schreien sollen? Es war die Schlacht bei Gravelingen, und ich finde oben im Bilde den Buchstaben C. und suche unten in der Beschreibung C. Steht da: á»Graf Egmont, dem das Pferd unter dem Leibe totgeschossen wird.á« Mich ö¼berlief's - und hernach muöŸt' ich lachen ö¼ber den holzgeschnitzten Egmont, der so groöŸ war als der Turm von Gravelingen gleich dabei und die englischen Schiffe an der Seite. - Wenn ich mich manchmal erinnere, wie ich mir sonst eine Schlacht vorgestellt und was ich mir als Mö¤dchen fö¼r ein Bild vom Grafen Egmont machte, wenn sie von ihm erzö¤hlten, und von allen Grafen und Fö¼rsten - und wie mir's jetzt ist! (Brackenburg kommt.) Klare. Wie steht's? Brackenburg. Man weiöŸ nichts Gewisses. In Flandern soll neuerdings ein Tumult entstanden sein; die Regentin soll besorgen, er mö¶chte sich hieher verbreiten. Das SchloöŸ ist stark besetzt, die Bö¼rger sind zahlreich an den Toren, das Volk summt in den Gassen. - Ich will nur schnell zu meinem alten Vater. (Als wollt' er gehen.) Klare. Sieht man Euch morgen? Ich will mich ein wenig anziehen. Der Vetter kommt, und ich sehe gar zu liederlich aus. Helft mir einen Augenblick, Mutter. - Nehmt das Buch mit, Brackenburg, und bringt mir wieder so eine Historie. Mutter. Lebt wohl. Brackenburg (seine Hand reichend). Eure Hand! Klare (ihre Hand versagend). Wenn Ihr wiederkommt. (Mutter und Tochter ab.) Brackenburg (allein). Ich hatte mir vorgenommen, gerade wieder fortzugehn; und da sie es dafö¼r aufnimmt und mich gehen lö¤öŸt, mö¶cht' ich rasend werden. - Unglö¼cklicher! und dich rö¼hrt deines Vaterlandes Geschick nicht? der wachsende Tumult nicht? - und gleich ist dir Landsmann oder Spanier, und wer regiert und wer recht hat? - War ich doch ein andrer Junge als Schulknabe! - Wenn da ein Exerzitium aufgegeben war: á»Brutus' Rede fö¼r die Freiheit, zur öœbung der Redekunstá«, da war doch immer Fritz der Erste, und der Rektor sagte: á»Wenn's nur ordentlicher wö¤re, nur nicht alles so ö¼bereinander gestolpert.á« - Damals kocht' es und trieb! - Jetzt schlepp ich mich an den Augen des Mö¤dchens so hin. Kann ich sie doch nicht lassen! Kann sie mich doch nicht lieben! - Ach - Nein - Sie - Sie kann mich nicht ganz verworfen haben - Nicht ganz - und halb und nichts! - ich duld es nicht lö¤nger! - - Sollte es wahr sein, was mir ein Freund neulich ins Ohr sagte? daöŸ sie nachts einen Mann heimlich zu sich einlö¤öŸt, da sie mich zö¼chtig immer vor Abend aus dem Hause treibt. Nein, es ist nicht wahr, es ist eine Lö¼ge, eine schö¤ndliche verleumderische Lö¼ge! Klö¤rchen ist so unschuldig, als ich unglö¼cklich bin. - Sie hat mich verworfen, hat mich von ihrem Herzen gestoöŸen - - Und ich soll so fortleben? Ich duld, ich duld es nicht. - - Schon wird mein Vaterland von innerm Zwiste heftiger bewegt, und ich sterbe unter dem Getö¼mmel nur ab! Ich duld es nicht! - Wenn die Trompete klingt, ein SchuöŸ fö¤llt, mir fö¤hrt's durch Mark und Bein! Ach, es reizt mich nicht! es fordert mich nicht, auch mit einzugreifen, mit zu retten, zu wagen. - Elender, schimpflicher Zustand! Es ist besser, ich end auf einmal. Neulich stö¼rzt' ich mich ins Wasser, ich sank - aber die geö¤ngstete Natur war stö¤rker; ich fö¼hlte, daöŸ ich schwimmen konnte, und rettete mich wider Wille. - - Kö¶nnt' ich der Zeiten vergessen, da sie mich liebte, mich zu lieben schien! - Warum hat mir 's Mark und Bein durchdrungen, das Glö¼ck? Warum haben mir diese Hoffnungen allen GenuöŸ des Lebens aufgezehrt, indem sie mir ein Paradies von weitem zeigten? - Und jener erste KuöŸ! Jener einzige! - Hier (die Hand auf den Tisch legend), hier waren wir allein - sie war immer gut und freundlich gegen mich gewesen - da schien sie sich zu erweichen - sie sah mich an - alle Sinnen gingen mir um, und ich fö¼hlte ihre Lippen auf den meinigen. - Und - und nun? - Stirb, Armer! Was zauderst du? (Er zieht ein Flö¤schchen aus der Tasche.) Ich will dich nicht umsonst aus meines Bruders Doktorkö¤stchen gestohlen haben, heilsames Gift! Du sollst mir dieses Bangen, diese Schwindel, diese TodesschweiöŸe auf einmal verschlingen und lö¶sen. Zweiter Aufzug Platz in Brö¼ssel Jetter und ein Zimmermeister treten zusammen. Zimmermeister. Sagt' ich's nicht voraus? Noch vor acht Tagen auf der Zunft sagt' ich, es wö¼rde schwere Hö¤ndel geben. Jetter. Ist's denn wahr, daöŸ sie die Kirchen in Flandern geplö¼ndert haben? Zimmermeister. Ganz und gar zugrunde gerichtet haben sie Kirchen und Kapellen. Nichts als die vier nackten Wö¤nde haben sie stehen lassen. Lauter Lumpengesindel! Und das macht unsre gute Sache schlimm. Wir hö¤tten eher, in der Ordnung und standhaft, unsere Gerechtsame der Regentin vortragen und drauf halten sollen. Reden wir jetzt, versammeln wir uns jetzt, so heiöŸt es, wir gesellen uns zu den Aufwieglern. Jetter. Ja, so denkt jeder zuerst: was sollst du mit deiner Nase voran? hö¤ngt doch der Hals gar nah damit zusammen. Zimmermeister. Mir ist's bange, wenn's einmal unter dem Pack zu lö¤rmen anfö¤ngt, unter dem Volk, das nichts zu verlieren hat. Die brauchen das zum Vorwande, worauf wir uns auch berufen mö¼ssen, und bringen das Land in Unglö¼ck. (Soest tritt dazu.) Soest. Guten Tag, ihr Herrn! Was gibt's Neues? Ist's wahr, daöŸ die Bilderstö¼rmer gerade hierher ihren Lauf nehmen? Zimmermeister. Hier sollen sie nichts anrö¼hren. Soest. Es trat ein Soldat bei mir ein, Tobak zu kaufen - den fragt' ich aus. Die Regentin, so eine wackre kluge Frau sie bleibt, diesmal ist sie auöŸer Fassung. Es muöŸ sehr arg sein, daöŸ sie sich so geradezu hinter ihre Wache versteckt. Die Burg ist scharf besetzt. Man meint sogar, sie wolle aus der Stadt flö¼chten. Zimmermeister. Hinaus soll sie nicht! Ihre Gegenwart beschö¼tzt uns, und wir wollen ihr mehr verschaffen als ihre Stutzbö¤rte. Und wenn sie uns unsere Rechte und Freiheiten aufrechterhö¤lt, so wollen wir sie auf den Hö¤nden tragen. (Seifensieder tritt dazu.) Seifensieder. Garstige Hö¤ndel! öœble Hö¤ndel! Es wird unruhig und geht schief aus! - Hö¼tet euch, daöŸ ihr stille bleibt, daöŸ man euch nicht auch fö¼r Aufwiegler hö¤lt. Soest. Da kommen die sieben Weisen aus Griechenland. Seifensieder. Ich weiöŸ, da sind viele, die es heimlich mit den Calvinisten halten, die auf die Bischö¶fe lö¤stern, die den Kö¶nig nicht scheuen. Aber ein treuer Untertan, ein aufrichtiger Katholike! - (Es gesellt sich nach und nach allerlei Volk zu ihnen und horcht. - Vansen tritt dazu.) Vansen. Gott grö¼öŸ' euch Herren! Was Neues? Zimmermeister. Gebt euch mit dem nicht ab, das ist ein schlechter Kerl. Jetter. Ist es nicht der Schreiber beim Doktor Wiets? Zimmermeister. Er hat schon viele Herren gehabt. Erst war er Schreiber, und wie ihn ein Patron nach dem andern fortjagte, Schelmstreiche halber, pfuscht er jetzt Notaren und Advokaten ins Handwerk und ist ein Branntweinzapf. (Es kommt mehr Volk zusammen und steht truppweise.) Vansen. Ihr seid auch versammelt, steckt die Kö¶pfe zusammen. Es ist immer redenswert. Soest. Ich denk auch. Vansen. Wenn jetzt einer oder der andere Herz hö¤tte, und einer oder der andere den Kopf dazu: wir kö¶nnten die spanischen Ketten auf einmal sprengen. Soest. Herre! So mö¼öŸt Ihr nicht reden. Wir haben dem Kö¶nig geschworen. Vansen. Und der Kö¶nig uns. Merkt das. Jetter. Das lö¤öŸt sich hö¶ren! Sagt Eure Meinung. Einige andere. Horch, der versteht's. Der hat Pfiffe. Vansen. Ich hatte einen alten Patron, der besaöŸ Pergamente und Briefe von uralten Stiftungen, Kontrakten und Gerechtigkeiten; er hielt auf die rarsten Bö¼cher. In einem stand unsere ganze Verfassung: wie uns Niederlö¤nder zuerst einzelne Fö¼rsten regierten, alles nach hergebrachten Rechten, Privilegien und Gewohnheiten; wie unsre Vorfahren alle Ehrfurcht fö¼r ihren Fö¼rsten gehabt, wenn er sie regiert, wie er sollte; und wie sie sich gleich vorsahen, wenn er ö¼ber die Schnur hauen wollte. Die Staaten waren gleich hinterdrein: denn jede Provinz, so klein sie war, hatte ihre Staaten, ihre Landstö¤nde. Zimmermeister. Haltet Euer Maul! das weiöŸ man lange! Ein jeder rechtschaffene Bö¼rger ist, so viel er braucht, von der Verfassung unterrichtet. Jetter. LaöŸt ihn reden; man erfö¤hrt immer etwas mehr. Soests. Er hat ganz recht. Mehrere. Erzö¤hlt! erzö¤hlt! So was hö¶rt man nicht alle Tage. Vansen. So seid ihr Bö¼rgersleute! Ihr lebt nur so in den Tag hin; und wie ihr euer Gewerb' von euern Eltern ö¼berkommen habt, so laöŸt ihr auch das Regiment ö¼ber euch schalten und walten, wie es kann und mag. Ihr fragt nicht nach dem Herkommen, nach der Historie, nach dem Recht eines Regenten; und ö¼ber das Versö¤umnis haben euch die Spanier das Netz ö¼ber die Ohren gezogen. Soests. Wer denkt da dran? wenn einer nur das tö¤gliche Brot hat. Jetter. Verflucht! Warum tritt auch keiner in Zeiten auf und sagt einem so etwas? Vansen. Ich sag es euch jetzt. Der Kö¶nig in Spanien, der die Provinzen durch gut Glö¼ck zusammen besitzt, darf doch nicht drin schalten und walten anders als die kleinen Fö¼rsten, die sie ehemals einzeln besaöŸen. Begreift ihr das? Jetter. Erklö¤rt's uns. Vansen. Es ist so klar als die Sonne. Mö¼öŸt ihr nicht nach euern Landrechten gerichtet werden? Woher kö¤me das? Ein Bö¼rger. Wahrlich! Vansen. Hat der Brö¼sseler nicht ein ander Recht als der Antwerper? der Antwerper als der Genter? Woher kö¤me denn das? Anderer Bö¼rger. Bei Gott! Vansen. Aber, wenn ihr's so fortlaufen laöŸt, wird man's euch bald anders weisen. Pfui! Was Karl der Kö¼hne, Friedrich der Krieger, Karl der Fö¼nfte nicht konnten, das tut nun Philipp durch ein Weib. Soests. Ja, ja! Die alten Fö¼rsten haben's auch schon probiert. Vansen. Freilich! - Unsere Vorfahren paöŸten auf. Wie sie einem Herrn gram wurden, fingen sie ihm etwa seinen Sohn und Erben weg, hielten ihn bei sich und gaben ihn nur auf die besten Bedingungen heraus. Unsere Vö¤ter waren Leute! Die wuöŸten, was ihnen nö¼tz war! Die wuöŸten etwas zu fassen und festzusetzen! Rechte Mö¤nner! Dafö¼r sind aber auch unsere Privilegien so deutlich, unsere Freiheiten so versichert. Seifensieder. Was sprecht Ihr von Freiheiten? Das Volk. Von unsern Freiheiten, von unsern Privilegien! Erzö¤hlt noch was von unsern Privilegien. Vansen. Wir Brabanter besonders, obgleich alle Provinzen ihre Vorteile haben, wir sind am herrlichsten versehen. Ich habe alles gelesen. Soests. Sagt an. Jetter. LaöŸt hö¶ren. Ein Bö¼rger. Ich bitt Euch. Vansen. Erstlich steht geschrieben: Der Herzog von Brabant soll uns ein guter und getreuer Herr sein. Soests. Gut! Steht das so? Jetter. Getreu? Ist das wahr? Vansen. Wie ich euch sage. Er ist uns verpflichtet, wie wir ihm. Zweitens: Er soll keine Macht oder eignen Willen an uns beweisen, merken lassen, oder gedenken zu gestatten, auf keinerlei Weise. Jetter. Schö¶n! Schö¶n! nicht beweisen. Soests. Nicht merken lassen. Ein anderer. Und nicht gedenken zu gestatten! Das ist der Hauptpunkt. Niemanden gestatten, auf keinerlei Weise. Vansen. Mit ausdrö¼cklichen Worten. Jetter. Schafft uns das Buch. Ein Bö¼rger. Ja, wir mö¼ssen's haben. Andere. Das Buch! das Buch! Ein anderer. Wir wollen zu der Regentin gehen mit dem Buche. Ein anderer. Ihr sollt das Wort fö¼hren, Herr Doktor. Seifensieder. O die Trö¶pfe! Andere. Noch etwas aus dem Buche! Seifensieder. Ich schlage ihm die Zö¤hne in den Hals, wenn er noch ein Wort sagt. Das Volk. Wir wollen sehen, wer ihm etwas tut. Sagt uns was von den Privilegien! Haben wir noch mehr Privilegien? Vansen. Mancherlei, und sehr gute, sehr heilsame. Da steht auch: Der Landsherr soll den geistlichen Stand nicht verbessern oder mehren, ohne Verwilligung des Adels und der Stö¤nde! Merkt das! Auch den Staat des Landes nicht verö¤ndern. Soest. Ist das so? Vansen. Ich will's euch geschrieben zeigen, von zwei-, dreihundert Jahren her. Bö¼rger. Und wir leiden die neuen Bischö¶fe? Der Adel muöŸ uns schö¼tzen, wir fangen Hö¤ndel an! Andere. Und wir lassen uns von der Inquisition ins Bockshorn jagen? Vansen. Das ist eure Schuld. Das Volk. Wir haben noch Egmont! noch Oranien! Die sorgen fö¼r unser Bestes! Vansen. Eure Brö¼der in Flandern haben das gute Werk angefangen. Seifensieder. Du Hund! (Er schlö¤gt ihn.) Andere (widersetzen sich und rufen). Bist du auch ein Spanier? Ein anderer. Was? den Ehrenmann? Ein anderer. Den Gelahrten? (Sie fallen den Seifensieder an.) Zimmermeister. Um's Himmels willen, ruht! (Andere mischen sich in den Streit.) Zimmermeister. Bö¼rger, was soll das? (Buben pfeifen, werfen mit Steinen, hetzen Hunde an, Bö¼rger stehn und gaffen, Volk lö¤uft zu, andere gehn gelassen auf und ab, andere treiben allerlei Schalkspossen, schreien und jubilieren.) Andere. Freiheit und Privilegien! Privilegien und Freiheit! (Egmont tritt auf mit Begleitung.) Egmont. Ruhig! Ruhig, Leute! Was gibt's? Ruhe! Bringt sie aus einander! Zimmermeister. Gnö¤diger Herr, Ihr kommt wie ein Engel des Himmels. Stille! seht ihr nichts? Graf Egmont! Dem Grafen Egmont Reverenz! Egmont. Auch hier? Was fangt ihr an? Bö¼rger gegen Bö¼rger! Hö¤lt sogar die Nö¤he unsrer kö¶niglichen Regentin diesen Unsinn nicht zurö¼ck? Geht auseinander, geht an euer Gewerbe. Es ist ein ö¼bles Zeichen, wenn ihr an Werktagen feiert. Was war's? (Der Tumult stillt sich nach und nach, und alle stehen um ihn herum.) Zimmermeister. Sie schlagen sich um ihre Privilegien. Egmont. Die sie noch mutwillig zertrö¼mmern werden - Und wer seid Ihr? Ihr scheint mir rechtliche Leute. Zimmermeister. Das ist unser Bestreben. Egmont. Eures Zeichens? Zimmermeister. Zimmermann und Zunftmeister. Egmont. Und Ihr? Soest. Krö¤mer. Egmont. Ihr? Jetter. Schneider. Egmont. Ich erinnere mich, Ihr habt mit an den Livreen fö¼r meine Leute gearbeitet. Euer Name ist Jetter. Jetter. Gnade, daöŸ Ihr Euch dessen erinnert. Egmont. Ich vergesse niemanden leicht, den ich einmal gesehen und gesprochen habe. - Was an euch ist, Ruhe zu erhalten, Leute, das tut; ihr seid ö¼bel genug angeschrieben. Reizt den Kö¶nig nicht mehr, er hat zuletzt doch die Gewalt in Hö¤nden. Ein ordentlicher Bö¼rger, der sich ehrlich und fleiöŸig nö¤hrt, hat ö¼berall so viel Freiheit, als er braucht. Zimmermeister. Ach wohl! das ist eben unsre Not! Die Tagdiebe, die Sö¶ffer, die Faulenzer, mit Euer Gnaden Verlaub, die stö¤nkern aus Langerweile und scharren aus Hunger nach Privilegien und lö¼gen den Neugierigen und Leichtglö¤ubigen was vor, und um eine Kanne Bier bezahlt zu kriegen, fangen sie Hö¤ndel an, die viel tausend Menschen unglö¼cklich machen. Das ist ihnen eben recht. Wir halten unsre Hö¤user und Kasten zu gut verwahrt; da mö¶chten sie gern uns mit Feuerbrö¤nden davontreiben. Egmont. Allen Beistand sollt ihr finden; es sind MaöŸregeln genommen, dem öœbel krö¤ftig zu begegnen. Steht fest gegen die fremde Lehre und glaubt nicht, durch Aufruhr befestige man Privilegien. Bleibt zu Hause; leidet nicht, daöŸ sie sich auf den StraöŸen rotten. Vernö¼nftige Leute kö¶nnen viel tun. (Indessen hat sich der grö¶öŸte Haufe verlaufen.) Zimmermeister. Danken Euer Exzellenz, danken fö¼r die gute Meinung! Alles, was an uns liegt. (Egmont ab.) Ein gnö¤diger Herr! der echte Niederlö¤nder! Gar so nichts Spanisches. Jetter. Hö¤tten wir ihn nur zum Regenten! Man folgt' ihm gerne. Soest. Das lö¤öŸt der Kö¶nig wohl sein. Den Platz besetzt er immer mit den Seinigen. Jetter. Hast du das Kleid gesehen? Das war nach der neuesten Art, nach spanischem Schnitt. Zimmermeister. Ein schö¶ner Herr! Jetter. Sein Hals wö¤r' ein rechtes Fressen fö¼r einen Scharfrichter. Soest. Bist du toll? was kommt dir ein! Jetter. Dumm genug, daöŸ einem so etwas einfö¤llt. - Es ist mir nun so. Wenn ich einen schö¶nen langen Hals sehe, muöŸ ich gleich wider Willen denken: der ist gut kö¶pfen. - Die verfluchten Exekutionen! man kriegt sie nicht aus dem Sinne. Wenn die Bursche schwimmen, und ich seh einen nackten Buckel, gleich fallen sie mir zu Dutzenden ein, die ich habe mit Ruten streichen sehen. Begegnet mir ein rechter Wanst, mein ich, den sö¤h' ich schon am Pfahl braten. Des Nachts im Traume zwickt mich's an allen Gliedern; man wird eben keine Stunde froh. Jede Lustbarkeit, jeden SpaöŸ hab ich bald vergessen; die fö¼rchterlichen Gestalten sind mir wie vor die Stirne gebrannt. Egmonts Wohnung Sekretö¤r an einem Tisch mit Papieren, er steht unruhig auf. Sekretö¤r. Er kommt immer nicht! und ich warte schon zwei Stunden, die Feder in der Hand,. die Papiere vor mir; und eben heute mö¶cht' ich gern so zeitig fort. Es brennt mir unter den Sohlen. Ich kann vor Ungeduld kaum bleiben. á»Sei auf die Stunde daá«, befahl er mir noch, ehe er wegging; nun kommt er nicht. Es ist so viel zu tun, ich werde vor Mitternacht nicht fertig. Freilich sieht er einem auch einmal durch die Finger. Doch hielt' ich's besser, wenn er strenge wö¤re und lieöŸe einen auch wieder zur bestimmten Zeit. Man kö¶nnte sich einrichten. Von der Regentin ist er nun schon zwei Stunden weg; wer weiöŸ, wen er unterwegs angefaöŸt hat. (Egmont tritt auf.) Egmont. Wie sieht's aus? Sekretö¤r. Ich bin bereit, und drei Boten warten. Egmont. Ich bin dir wohl zu lang geblieben; du machst ein verdrieöŸlich Gesicht. Sekretö¤r. Euerm Befehl zu gehorchen, wart ich schon lange. Hier sind die Papiere! Egmont. Donna Elvira wird bö¶se auf mich werden, wenn sie hö¶rt, daöŸ ich dich abgehalten habe. Sekretö¤r. Ihr scherzt. Egmont. Nein, nein. Schö¤me dich nicht. Du zeigst einen guten Geschmack. Sie ist hö¼bsch; und es ist mir ganz recht, daöŸ du auf dem Schlosse eine Freundin hast. Was sagen die Briefe? Sekretö¤r. Mancherlei und wenig Erfreuliches. Egmont. Da ist gut, daöŸ wir die Freude zu Hause haben und sie nicht von auswö¤rts zu erwarten brauchen. Ist viel gekommen? Sekretö¤r. Genug, und drei Boten warten. Egmont. Sag an! das Nö¶tigste! Sekretö¤r. Es ist alles nö¶tig. Egmont. Eins nach dem andern, nur geschwind! Sekretö¤r. Hauptmann Breda schickt die Relation, was weiter in Gent und der umliegenden Gegend vorgefallen. Der Tumult hat sich meistens gelegt. - Egmont. Er schreibt wohl noch von einzelnen Ungezogenheiten und Tollkö¼hnheiten? Sekretö¤r. Ja! Es kommt noch manches vor. Egmont. Verschone mich damit. Sekretö¤r. Noch sechs sind eingezogen worden, die bei Wervicq das Marienbild umgerissen haben. Er fragt an, ob er sie auch wie die andern soll hö¤ngen lassen? Egmont. Ich bin des Hö¤ngens mö¼de. Man soll sie durchpeitschen, und sie mö¶gen gehen. Sekretö¤r. Es sind zwei Weiber dabei; soll er die auch durchpeitschen? Egmont. Die mag er verwarnen und laufenlassen. Sekretö¤r. Brink von Bredas Kompanie will heiraten. Der Hauptmann hofft, Ihr werdet's ihm abschlagen. Es sind so viele Weiber bei dem Haufen, schreibt er, daöŸ, wenn wir ausziehen, es keinem Soldatenmarsch, sondern einem Zigeunergeschleppe ö¤hnlich sehen wird. Egmont. Dem mag's noch hingehen! Es ist ein schö¶ner junger Kerl; er bat mich noch gar dringend, eh' ich wegging. Aber nun soll's keinem mehr gestattet sein, so leid mir's tut, den armen Teufeln, die ohnedies geplagt genug sind, ihren besten SpaöŸ zu versagen. Sekretö¤r. Zwei von Euern Leuten, Seter und Hart, haben einem Mö¤del, einer Wirtstochter, ö¼bel mitgespielt. Sie kriegten sie allein, und die Dirne konnte sich ihrer nicht erwehren. Egmont. Wenn es ein ehrlich Mö¤dchen ist, und sie haben Gewalt gebraucht, so soll er sie drei Tage hintereinander mit Ruten streichen lassen, und wenn sie etwas besitzen, soll er so viel davon einziehen, daöŸ dem Mö¤dchen eine Ausstattung gereicht werden kann. Sekretö¤r. Einer von den fremden Lehrern ist heimlich durch Comines gegangen und entdeckt worden. Er schwö¶rt, er sei im Begriff, nach Frankreich zu gehen. Nach dem Befehl soll er enthauptet werden. Egmont. Sie sollen ihn in der Stille an die Grenze bringen und ihm versichern, daöŸ er das zweitemal nicht so wegkommt. Sekretö¤r. Ein Brief von Euerm Einnehmer. Er schreibt: es komme wenig Geld ein, er kö¶nne auf die Woche die verlangte Summe schwerlich schicken; der Tumult habe in alles die grö¶öŸte Konfusion gebracht. Egmont. Das Geld muöŸ herbei! er mag sehen, wie er es zusammenbringt. Sekretö¤r. Er sagt, er werde sein mö¶glichstes tun und wolle endlich den Raymond, der Euch so lange schuldig ist, verklagen und in Verhaft nehmen lassen. Egmont. Der hat ja versprochen zu bezahlen. Sekretö¤r. Das letztemal setzte er sich selbst vierzehn Tage. Egmont. So gebe man ihm noch vierzehn Tage; und dann mag er gegen ihn verfahren. Sekretö¤r. Ihr tut wohl. Es ist nicht Unvermö¶gen; es ist bö¶ser Wille. Er macht gewiöŸ Ernst, wenn er sieht, Ihr spaöŸt nicht. - Ferner sagt der Einnehmer: er wolle den alten Soldaten, den Witwen und einigen andern, denen Ihr Gnadengehalte gebt, die Gebö¼hr einen halben Monat zurö¼ckhalten; man kö¶nne indessen Rat schaffen; sie mö¶chten sich einrichten. Egmont. Was ist da einzurichten? Die Leute brauchen das Geld nö¶tiger als ich. Das soll er bleibenlassen. Sekretö¤r. Woher befehlt Ihr denn, daöŸ er das Geld nehmen soll? Egmont. Darauf mag er denken; es ist ihm im vorigen Briefe schon gesagt. Sekretö¤r. Deswegen tut er die Vorschlö¤ge. Egmont. Die taugen nicht, er soll auf was anders sinnen. Er soll Vorschlö¤ge tun, die annehmlich sind, und vor allem soll er das Geld schaffen. Sekretö¤r. Ich habe den Brief des Grafen Oliva wieder hiehergelegt. Verzeiht, daöŸ ich Euch daran erinnere. Der alte Herr verdient vor allen andern eine ausfö¼hrliche Antwort. Ihr wolltet ihm selbst schreiben. GewiöŸ, er liebt Euch wie ein Vater. Egmont. Ich komme nicht dazu. Und unter vielem VerhaöŸten ist mir das Schreiben das VerhaöŸteste. Du machst meine Hand ja so gut nach, schreib in meinem Namen. Ich erwarte Oranien. Ich komme nicht dazu; und wö¼nschte selbst, daöŸ ihm auf seine Bedenklichkeiten was recht Beruhigendes geschrieben wö¼rde. Sekretö¤r. Sagt mir nur ungefö¤hr Eure Meinung; ich will die Antwort schon aufsetzen und sie Euch vorlegen. Geschrieben soll sie werden, daöŸ sie vor Gericht fö¼r Eure Hand gelten kann. Egmont. Gib mir den Brief. (Nachdem er hineingesehen.) Guter ehrlicher Alter! Warst du in deiner Jugend auch wohl so bedö¤chtig? Erstiegst du nie einen Wall? Bliebst du in der Schlacht, wo es die Klugheit anrö¤t, hinten? - Der treue, sorgliche! Er will mein Leben und mein Glö¼ck und fö¼hlt nicht, daöŸ der schon tot ist, der um seiner Sicherheit willen lebt. - Schreib ihm, er mö¶ge unbesorgt sein; ich handle, wie ich soll, ich werde mich schon wahren: sein Ansehn bei Hofe soll er zu meinen Gunsten brauchen und meines vollkommnen Dankes gewiöŸ sein. Sekretö¤r. Nichts weiter? O er erwartet mehr. Egmont. Was soll ich mehr sagen? Willst du mehr Worte machen, so steht's bei dir. Es dreht sich immer um den einen Punkt: ich soll leben, wie ich nicht leben mag. DaöŸ ich frö¶hlich bin, die Sachen leicht nehme, rasch lebe, das ist mein Glö¼ck; und ich vertausch es nicht gegen die Sicherheit eines Totengewö¶lbes. Ich habe nun zu der spanischen Lebensart nicht einen Blutstropfen in meinen Adern; nicht Lust, meine Schritte nach der neuen bedö¤chtigen Hofkadenz zu mustern. Leb ich nur, um aufs Leben zu denken? Soll ich den gegenwö¤rtigen Augenblick nicht genieöŸen, damit ich des folgenden gewiöŸ sei? Und diesen wieder mit Sorgen und Grillen verzehren? Sekretö¤r. Ich bitt Euch, Herr; seid nicht so harsch und rauh gegen den guten Mann. Ihr seid ja sonst gegen alle freundlich. Sagt mir ein gefö¤llig Wort, das den edeln Freund beruhige. Seht, wie sorgfö¤ltig er ist, wie leis er Euch berö¼hrt. Egmont. Und doch berö¼hrt er immer diese Saite. Er weiöŸ von alters her, wie verhaöŸt mir diese Ermahnungen sind; sie machen nur irre, sie helfen nichts. Und wenn ich ein Nachtwandler wö¤re und auf dem gefö¤hrlichen Gipfel eines Hauses spazierte, ist es freundschaftlich, mich beim Namen zu rufen und mich zu warnen, zu wecken und zu tö¶ten? LaöŸt jeden seines Pfades gehn; er mag sich wahren. Sekretö¤r. Es ziemt Euch, nicht zu sorgen, aber wer Euch kennt und liebt - Egmont (in den Brief sehend). Da bringt er wieder die alten Mö¤rchen auf, was wir an einem Abend in leichtem öœbermut der Geselligkeit und des Weins getrieben und gesprochen; und was man daraus fö¼r Folgen und Beweise durchs ganze Kö¶nigreich gezogen und geschleppt habe. - Nun gut! wir haben Schellenkappen, Narrenkutten auf unsrer Diener ö„rmel sticken lassen, und haben diese tolle Zierde nachher in ein Bö¼ndel Pfeile verwandelt; ein noch gefö¤hrlicher Symbol fö¼r alle, die deuten wollen, wo nichts zu deuten ist. Wir haben die und jene Torheit in einem lustigen Augenblick empfangen gleich und geboren; sind schuld, daöŸ eine ganze edle Schar mit Bettelsö¤cken und mit einem selbstgewö¤hlten Unnamen dem Kö¶nige seine Pflicht mit spottender Demut ins Gedö¤chtnis rief; sind schuld - was ist's nun weiter? Ist ein Fastnachtsspiel gleich Hochverrat? Sind uns die kurzen, bunten Lumpen zu miöŸgö¶nnen, die ein jugendlicher Mut, eine angefrischte Phantasie um unsers Lebens arme Blö¶öŸe hö¤ngen mag? Wenn ihr das Leben gar zu ernsthaft nehmt, was ist denn dran? Wenn uns der Morgen nicht zu neuen Freuden weckt, am Abend uns keine Lust zu hoffen ö¼brigbleibt: ist's wohl des An- und Ausziehens wert? Scheint mir die Sonne heut, um das zu ö¼berlegen, was gestern war? und um zu raten, zu verbinden, was nicht zu erraten, nicht zu verbinden ist, das Schicksal eines kommenden Tages? Schenke mir diese Betrachtungen; wir wollen sie Schö¼lern und Hö¶flingen ö¼berlassen. Die mö¶gen sinnen und aussinnen, wandeln und schleichen, gelangen, wohin sie kö¶nnen, erschleichen, was sie kö¶nnen. - Kannst du von allem diesem etwas brauchen, daöŸ deine Epistel kein Buch wird, so ist mir's recht. Dem guten Alten scheint alles viel zu wichtig. So drö¼ckt ein Freund, der lang unsre Hand gehalten, sie stö¤rker noch einmal, wenn er sie lassen will. Sekretö¤r. Verzeiht mir, es wird dem FuöŸgö¤nger schwindlig, der einen Mann, mit rasselnder Eile daherfahren sieht. Egmont. Kind! Kind! nicht weiter! Wie von unsichtbaren Geistern gepeitscht, gehen die Sonnenpferde der Zeit mit unsers Schicksals leichtem Wagen durch; und uns bleibt nichts, als, mutig gefaöŸt, die Zö¼gel festzuhalten und bald rechts bald links, vom Steine hier vom Sturze da, die Rö¤der wegzulenken. Wohin es geht, wer weiöŸ es? Erinnert er sich doch kaum, woher er kam. Sekretö¤r. Herr! Herr! Egmont. Ich stehe hoch und kann und muöŸ noch hö¶her steigen; ich fö¼hle mir Hoffnung, Mut und Kraft. Noch hab ich meines Wachstums Gipfel nicht erreicht; und steh ich droben einst, so will ich fest, nicht ö¤ngstlich stehn. Soll ich fallen, so mag ein Donnerschlag, ein Sturmwind, ja ein selbst verfehlter Schritt mich abwö¤rts in die Tiefe stö¼rzen; da lieg ich mit viel Tausenden. Ich habe nie verschmö¤ht, mit meinen guten Kriegsgesellen um kleinen Gewinst das blutige Los zu werfen; und sollt' ich knickern, wenn's um den ganzen freien Wert des Lebens geht? Sekretö¤r. O Herr! Ihr wiöŸt nicht, was fö¼r Worte Ihr sprecht! Gott erhalt' Euch! Egmont. Nimm deine Papiere zusammen. Oranien kommt. Fertige aus, was am nö¶tigsten ist, daöŸ die Boten fortkommen, eh die Tore geschlossen werden. Das andere hat Zeit. Den Brief an den Grafen laöŸ bis morgen; versö¤ume nicht, Elviren zu besuchen, und grö¼öŸe sie von mir. - Horche, wie sich die Regentin befindet; sie soll nicht wohl sein, ob sie's gleich verbirgt. (Sekretö¤r ab.) (Oranien kommt.) Egmont. Willkommen, Oranien. Ihr scheint mir nicht ganz frei. Oranien. Was sagt Ihr zu unsrer Unterhaltung mit der Regentin? Egmont. Ich fand in ihrer Art, uns aufzunehmen, nichts AuöŸerordentliches. Ich habe sie schon mehr so gesehen. Sie schien mir nicht ganz wohl. Oranien. Merktet Ihr nicht, daöŸ sie zurö¼ckhaltender war? Erst wollte sie unser Betragen bei dem neuen Aufruhr des Pö¶bels gelassen billigen; nachher merkte sie an, was sich doch auch fö¼r ein falsches Licht darauf werfen lasse; wich dann mit dem Gesprö¤che zu ihrem alten gewö¶hnlichen Diskurs: daöŸ man ihre liebevolle gute Art, ihre Freundschaft zu uns Niederlö¤ndern, nie genug erkannt, zu leicht behandelt habe, daöŸ nichts einen erwö¼nschten Ausgang nehmen wolle, daöŸ sie am Ende wohl mö¼de werden, der Kö¶nig sich zu andern MaöŸregeln entschlieöŸen mö¼sse. Habt Ihr das gehö¶rt? Egmont. Nicht alles; ich dachte unterdessen an was anders. Sie ist ein Weib, guter Oranien, und die mö¶chten immer gern, daöŸ sich alles unter ihr sanftes Joch gelassen schmiegte, daöŸ jeder Herkules die Lö¶wenhaut ablegte und ihren Kunkelhof vermehrte; daöŸ, weil sie friedlich gesinnt sind, die Gö¤rung, die ein Volk ergreift, der Sturm, den mö¤chtige Nebenbuhler gegeneinander erregen, sich durch ein freundlich Wort beilegen lieöŸe und die widrigsten Elemente sich zu ihren Fö¼öŸen in sanfter Eintracht vereinigten. Das ist ihr Fall; und da sie es dahin nicht bringen kann, so hat sie keinen Weg, als launisch zu werden, sich ö¼ber Undankbarkeit, Unweisheit zu beklagen, mit schrecklichen Aussichten in die Zukunft zu drohen, und zu drohen - daöŸ sie fortgehn will. Oranien. Glaubt Ihr dasmal nicht, daöŸ sie ihre Drohung erfö¼llt? Egmont. Nimmermehr! Wie oft habe ich sie schon reisefertig gesehn! Wo will sie denn hin? Hier Statthalterin, Kö¶nigin; glaubst du, daöŸ sie es unterhalten wird, am Hofe ihres Bruders unbedeutende Tage abzuhaspeln? oder nach Italien zu gehen und sich in alten Familienverhö¤ltnissen herumzuschleppen? Oranien. Man hö¤lt sie dieser EntschlieöŸung nicht fö¤hig, weil Ihr sie habt zaudern, weil Ihr sie habt zurö¼cktreten sehn; dennoch liegt's wohl in ihr; neue Umstö¤nde treiben sie zu dem lang verzö¶gerten EntschluöŸ. Wenn sie ginge? und der Kö¶nig schickte einen andern? Egmont. Nun, der wö¼rde kommen, und wö¼rde eben auch zu tun finden. Mit groöŸen Planen, Projekten und Gedanken wö¼rde er kommen, wie er alles zurechtrö¼cken, unterwerfen und zusammenhalten wolle; und wö¼rde heut mit dieser Kleinigkeit, morgen mit einer andern zu tun haben, ö¼bermorgen jene Hindernis finden, einen Monat mit Entwö¼rfen, einen andern mit VerdruöŸ ö¼ber fehlgeschlagne Unternehmen, ein halb Jahr in Sorgen ö¼ber eine einzige Provinz zubringen. Auch ihm wird die Zeit vergehn, der Kopf schwindeln und die Dinge wie zuvor ihren Gang halten, daöŸ er, statt weite Meere nach einer vorgezognen Linie zu durchsegeln, Gott danken mag, wenn er sein Schiff in diesem Sturme vom Felsen hö¤lt. Oranien. Wenn man nun aber dem Kö¶nig zu einem Versuch riete? Egmont. Der wö¤re? Oranien. Zu sehen, was der Rumpf ohne Haupt anfinge. Egmont. Wie? Oranien. Egmont, ich trage viele Jahre her alle unsere Verhö¤ltnisse am Herzen, ich stehe immer wie ö¼ber einem Schachspiele und halte keinen Zug des Gegners fö¼r unbedeutend; und wie mö¼öŸige Menschen mit der grö¶öŸten Sorgfalt sich um die Geheimnisse der Natur bekö¼mmern, so halt ich es fö¼r Pflicht, fö¼r Beruf eines Fö¼rsten, die Gesinnungen, die Ratschlö¤ge aller Parteien zu kennen. Ich habe Ursach', einen Ausbruch zu befö¼rchten. Der Kö¶nig hat lange nach gewissen Grundsö¤tzen gehandelt; er sieht, daöŸ er damit nicht auskommt; was ist wahrscheinlicher, als daöŸ er es auf einem andern Wege versucht? Egmont. Ich glaub's nicht. Wenn man alt wird und hat so viel versucht, und es will in der Welt nie zur Ordnung kommen, muöŸ man es endlich wohl genug haben. Oranien. Eins hat er noch nicht versucht. Egmont. Nun? Oranien. Das Volk zu schonen und die Fö¼rsten zu verderben. Egmont. Wie viele haben das schon lange gefö¼rchtet! Es ist keine Sorge. Oranien. Sonst war's Sorge; nach und nach ist mir's Vermutung, zuletzt GewiöŸheit geworden. Egmont. Und hat der Kö¶nig treuere Diener als uns? Oranien. Wir dienen ihm auf unsere Art; und unter einander kö¶nnen wir gestehen, daöŸ wir des Kö¶nigs Rechte und die unsrigen wohl abzuwö¤gen wissen. Egmont. Wer tut's nicht? Wir sind ihm untertan und gewö¤rtig in dem, was ihm zukommt. Oranien. Wenn er sich nun aber mehr zuschriebe und Treulosigkeit nennte, was wir heiöŸen: auf unsre Rechte halten? Egmont. Wir werden uns verteidigen kö¶nnen. Er rufe die Ritter des Vlieses zusammen, wir wollen uns richten lassen. Oranien. Und was wö¤re ein Urteil vor der Untersuchung? eine Strafe vor dem Urteil? Egmont. Eine Ungerechtigkeit, der sich Philipp nie schuldig machen wird; und eine Torheit, die ich ihm und seinen Rö¤ten nicht zutraue. Oranien. Und wenn sie nun ungerecht und tö¶richt wö¤ren? Egmont. Nein, Oranien, es ist nicht mö¶glich. Wer sollte wagen, Hand an uns zu legen? - Uns gefangenzunehmen, wö¤r' ein verlornes und fruchtloses Unternehmen. Nein, sie wagen nicht, das Panier der Tyrannei so hoch aufzustecken. Der Windhauch, der diese Nachricht ö¼bers Land brö¤chte, wö¼rde ein ungeheures Feuer zusammentreiben. Und wohinaus wollten sie? Richten und verdammen kann nicht der Kö¶nig allein; und wollten sie meuchelmö¶rderisch an unser Leben? - Sie kö¶nnen nicht wollen. Ein schrecklicher Bund wö¼rde in einem Augenblick das Volk vereinigen. HaöŸ und ewige Trennung vom spanischen Namen wö¼rde sich gewaltsam erklö¤ren. Oranien. Die Flamme wö¼tete dann ö¼ber unserm Grabe, und das Blut unsrer Feinde flö¶sse zum leeren Sö¼hnopfer. LaöŸ uns denken, Egmont. Egmont. Wie sollten sie aber? Oranien. Alba ist unterwegs. Egmont. Ich glaub's nicht. Oranien. Ich weiöŸ es. Egmont. Die Regentin wollte nichts wissen. Oranien. Um desto mehr bin ich ö¼berzeugt. Die Regentin wird ihm Platz machen. Seinen Mordsinn kenn ich, und ein Heer bringt er mit. Egmont. Aufs neue die Provinzen zu belö¤stigen? Das Volk wird hö¶chst schwierig werden. Oranien. Man wird sich der Hö¤upter versichern. Egmont. Nein! Nein! Oranien. LaöŸ uns gehen, jeder in seine Provinz. Dort wollen wir uns verstö¤rken; mit offner Gewalt fö¤ngt er nicht an. Egmont. Mö¼ssen wir ihn nicht begrö¼öŸen, wenn er kommt? Oranien. Wir zö¶gern. Egmont. Und wenn er uns im Namen des Kö¶nigs bei seiner Ankunft fordert? Oranien. Suchen wir Ausflö¼chte. Egmont. Und wenn er dringt? Oranien. Entschuldigen wir uns. Egmont. Und wenn er drauf besteht? Oranien. Kommen wir um so weniger. Egmont. Und der Krieg ist erklö¤rt, und wir sind die Rebellen. Oranien, laöŸ dich nicht durch Klugheit verfö¼hren; ich weiöŸ, daöŸ Furcht dich nicht weichen macht. Bedenke den Schritt. Oranien. Ich hab ihn bedacht. Egmont. Bedenke, wenn du dich irrst, woran du schuld bist; an dem verderblichsten Kriege, der je ein Land verwö¼stet hat. Dein Weigern ist das Signal, das die Provinzen mit einmal zu den Waffen ruft, das jede Grausamkeit rechtfertigt, wozu Spanien von jeher nur gern den Vorwand gehascht hat. Was wir lange mö¼hselig gestillt haben, wirst du mit einem Winke zur schrecklichsten Verwirrung aufhetzen. Denk an die Stö¤dte, die Edeln, das Volk, an die Handlung, den Feldbau, die Gewerbe! und denke die Verwö¼stung, den Mord! - Ruhig sieht der Soldat wohl im Felde seinen Kameraden neben sich hinfallen; aber den FluöŸ herunter werden dir die Leichen der Bö¼rger, der Kinder, der Jungfrauen entgegenschwimmen, daöŸ du mit Entsetzen dastehst und nicht mehr weiöŸt, wessen Sache du verteidigst, da die zugrunde gehen, fö¼r deren Freiheit du die Waffen ergriffst. Und wie wird dir's sein, wenn du dir still sagen muöŸt: á»Fö¼r meine Sicherheit ergriff ich sie.á« Oranien. Wir sind nicht einzelne Menschen, Egmont. Ziemt es sich, uns fö¼r Tausende hinzugeben, so ziemt es sich auch, uns fö¼r Tausende zu schonen. Egmont. Wer sich schont, muöŸ sich selbst verdö¤chtig werden. Oranien. Wer sich kennt, kann sicher vor- und rö¼ckwö¤rts gehen. Egmont. Das öœbel, das du fö¼rchtest, wird gewiöŸ durch deine Tat. Oranien. Es ist klug und kö¼hn, dem unvermeidlichen öœbel entgegenzugehn. Egmont. Bei so groöŸer Gefahr kommt die leichteste Hoffnung in Anschlag. Oranien. Wir haben nicht fö¼r den leisesten FuöŸtritt Platz mehr; der Abgrund liegt hart vor uns. Egmont. Ist des Kö¶nigs Gunst ein so schmaler Grund? Oranien. So schmal nicht, aber schlö¼pfrig. Egmont. Bei Gott! man tut ihm Unrecht. Ich mag nicht leiden, daöŸ man unwö¼rdig von ihm denkt! Er ist Karls Sohn und keiner Niedrigkeit fö¤hig. Oranien. Die Kö¶nige tun nichts Niedriges. Egmont. Man sollte ihn kennenlernen. Oranien. Eben diese Kenntnis rö¤t uns, eine gefö¤hrliche Probe nicht abzuwarten. Egmont. Keine Probe ist gefö¤hrlich, zu der man Mut hat. Oranien. Du wirst aufgebracht, Egmont. Egmont. Ich muöŸ mit meinen Augen sehen. Oranien. O sö¤hst du diesmal nur mit den meinigen! Freund, weil du sie offen hast, glaubst du, du siehst. Ich gehe! Warte du Albas Ankunft ab, und Gott sei bei dir! Vielleicht rettet dich mein Weigern. Vielleicht daöŸ der Drache nichts zu fangen glaubt, wenn er uns nicht beide auf einmal verschlingt. Vielleicht zö¶gert er, um seinen Anschlag sicherer auszufö¼hren; und vielleicht siehest du indes die Sache in ihrer wahren Gestalt. Aber dann schnell! schnell! Rette! rette dich! - Leb wohl! - LaöŸ deiner Aufmerksamkeit nichts entgehen: wieviel Mannschaft er mitbringt, wie er die Stadt besetzt, was fö¼r Macht die Regentin behö¤lt, wie deine Freunde gefaöŸt sind. Gib mir Nachricht - - - Egmont - Egmont. Was willst du? Oranien (ihn bei der Hand fassend). LaöŸ dich ö¼berreden! Geh mit! Egmont. Wie? Trö¤nen, Oranien? Oranien. Einen Verlornen zu beweinen, ist auch mö¤nnlich. Egmont. Du wö¤hnst mich verloren? Oranien. Du bist's. Bedenke! Dir bleibt nur eine kurze Frist. Leb wohl! (Ab.) Egmont (allein). DaöŸ andrer Menschen Gedanken solchen EinfluöŸ auf uns haben! Mir wö¤r' es nie eingekommen; und dieser Mann trö¤gt seine Sorglichkeit in mich herö¼ber. - Weg! - Das ist ein fremder Tropfen in meinem Blute. Gute Natur, wirf ihn wieder heraus! Und von meiner Stirne die sinnenden Runzeln wegzubaden, gibt es ja wohl noch ein freundlich Mittel. Dritter Aufzug Palast der Regentin Margarete von Parma. Margarete. Ich hö¤tte mir's vermuten sollen. Ha! Wenn man in Mö¼he und Arbeit vor sich hinlebt, denkt man immer, man tue das Mö¶glichste; und der von weitem zusieht und befiehlt, glaubt, er verlange nur das Mö¶gliche. - O die Kö¶nige! - Ich hö¤tte nicht geglaubt, daöŸ es mich so verdrieöŸen kö¶nnte. Es ist so schö¶n zu herrschen! - Und abzudanken? - Ich weiöŸ nicht, wie mein Vater es konnte; aber ich will es auch. (Machiavell erscheint im Grunde.) Regentin. Tretet nö¤her, Machiavell. Ich denke hier ö¼ber den Brief meines Bruders. Machiavell. Ich darf wissen, was er enthö¤lt? Regentin. So viel zö¤rtliche Aufmerksamkeit fö¼r mich als Sorgfalt fö¼r seine Staaten. Er rö¼hmt die Standhaftigkeit, den FleiöŸ und die Treue, womit ich bisher fö¼r die Rechte seiner Majestö¤t in diesen Landen gewacht habe. Er bedauert mich, daöŸ mir das unbö¤ndige Volk so viel zu schaffen mache. Er ist von der Tiefe meiner Einsichten so vollkommen ö¼berzeugt, mit der Klugheit meines Betragens so auöŸerordentlich zufrieden, daöŸ ich fast sagen muöŸ, der Brief ist fö¼r einen Kö¶nig zu schö¶n geschrieben, fö¼r einen Bruder gewiöŸ. Machiavell. Es ist nicht das erstemal, daöŸ er Euch seine gerechte Zufriedenheit bezeigt. Regentin. Aber das erstemal, daöŸ es rednerische Figur ist. Machiavell. Ich versteh Euch nicht. Regentin. Ihr werdet. - Denn er meint, nach diesem Eingange: ohne Mannschaft, ohne eine kleine Armee werde ich immer hier eine ö¼ble Figur spielen! Wir hö¤tten, sagt er, unrecht getan, auf die Klagen der Einwohner unsre Soldaten aus den Provinzen zu ziehen. Eine Besatzung, meint er, die dem Bö¼rger auf dem Nacken lastet, verbiete ihm durch ihre Schwere, groöŸe Sprö¼nge zu machen. Machiavell. Es wö¼rde die Gemö¼ter ö¤uöŸerst aufbringen. Regentin. Der Kö¶nig meint aber, hö¶rst du? - Er meint, daöŸ ein tö¼chtiger General, so einer, der gar keine Rö¤son annimmt, gar bald mit Volk und Adel, Bö¼rgern und Bauern fertig werden kö¶nne; - und schickt deswegen mit einem starken Heere - den Herzog von Alba. Machiavell. Alba? Regentin. Du wunderst dich? Machiavell. Ihr sagt: er schickt. Er fragt wohl, ob er schicken soll? Regentin. Der Kö¶nig fragt nicht; er schickt. Machiavell. So werdet Ihr einen erfahrnen Krieger in Euren Diensten haben. Regentin. In meinen Diensten? Rede grad heraus, Machiavell. Machiavell. Ich mö¶cht' Euch nicht vorgreifen. Regentin. Und ich mö¶chte mich verstellen! Es ist mir empfindlich, sehr empfindlich. Ich wollte lieber, mein Bruder sagte, wie er's denkt, als daöŸ er fö¶rmliche Episteln unterschreibt, die ein Staatssekretö¤r aufsetzt. Machiavell. Sollte man nicht einsehen? - Regentin. Und ich kenne sie inwendig und auswendig. Sie mö¶chten's gern gesö¤ubert und gekehrt haben; und weil sie selbst nicht zugreifen, so findet ein jeder Vertrauen, der mit dem Besen in der Hand kommt. O mir ist's, als wenn ich den Kö¶nig und sein Konseil auf dieser Tapete gewirkt sö¤he. Machiavell. So lebhaft? Regentin. Es fehlt kein Zug. Es sind gute Menschen drunter. Der ehrliche Rodrich, der so erfahren und mö¤öŸig ist, nicht zu hoch will, und doch nichts fallen lö¤öŸt, der gerade Alonzo, der fleiöŸige Freneda, der feste Las Vargas, und noch einige, die mitgehen, wenn die gute Partei mö¤chtig wird. Da sitzt aber der hohlö¤ugige Toledaner mit der ehrnen Stirne und dem tiefen Feuerblick, murmelt zwischen den Zö¤hnen von Weibergö¼te, unzeitigem Nachgeben und daöŸ Frauen wohl von zugerittenen Pferden sich tragen lassen, selbst aber schlechte Stallmeister sind, und solche Spö¤öŸe, die ich ehemals von den politischen Herren habe mit durchhö¶ren mö¼ssen. Machiavell. Ihr habt zu dem Gemö¤lde einen guten Farbentopf gewö¤hlt. Regentin. Gesteht nur, Machiavell: In meiner ganzen Schattierung, aus der ich allenfalls malen kö¶nnte, ist kein Ton so gelbbraun-gallenschwarz wie Albas Gesichtsfarbe und als die Farbe, aus der er malt. Jeder ist bei ihm gleich ein Gotteslö¤sterer, ein Majestö¤tsschö¤nder: denn aus diesem Kapitel kann man sie alle sogleich rö¤dern, pfö¤hlen, vierteilen und verbrennen. - Das Gute, was ich hier getan habe, sieht gewiöŸ in der Ferne wie nichts aus, eben weil's gut ist. - Da hö¤ngt er sich an jeden Mutwillen, der vorbei ist, erinnert an jede Unruhe, die gestillt ist; und es wird dem Kö¶nige vor den Augen so voll Meuterei, Aufruhr und Tollkö¼hnheit, daöŸ er sich vorstellt, sie frö¤öŸen sich hier einander auf, wenn eine flö¼chtig vorö¼bergehende Ungezogenheit eines rohen Volks bei uns lange vergessen ist. Da faöŸt er einen recht herzlichen HaöŸ auf die armen Leute; sie kommen ihm abscheulich, ja wie Tiere und Ungeheuer vor; er sieht sich nach Feuer und Schwert um und wö¤hnt, so bö¤ndige man Menschen. Machiavell. Ihr scheint mir zu heftig, Ihr nehmt die Sache zu hoch. Bleibt Ihr nicht Regentin? Regentin. Das kenn ich. Er wird eine Instruktion bringen. - Ich bin in Staatsgeschö¤ften alt genug geworden, um zu wissen, wie man einen verdrö¤ngt, ohne ihm seine Bestallung zu nehmen. - Erst wird er eine Instruktion bringen, die wird unbestimmt und schief sein; er wird um sich greifen, denn er hat die Gewalt; und wenn ich mich beklage, wird er eine geheime Instruktion vorschö¼tzen; wenn ich sie sehen will, wird er mich herumziehen; wenn ich drauf bestehe, wird er mir ein Papier zeigen, das ganz was anders enthö¤lt; und wenn ich mich da nicht beruhige, gar nicht mehr tun, als wenn ich redete. - Indes wird er, was ich fö¼rchte, getan, und was ich wö¼nsche, weit abwö¤rts gelenkt haben. Machiavell. Ich wollt', ich kö¶nnt' Euch widersprechen. Regentin. Was ich mit unsö¤glicher Geduld beruhigte, wird er durch Hö¤rte und Grausamkeiten wieder aufhetzen; ich werde vor meinen Augen mein Werk verloren sehen und ö¼berdies noch seine Schuld zu tragen haben. Machiavell. Erwarten's Eure Hoheit. Regentin. So viel Gewalt hab ich ö¼ber mich, um stille zu sein. LaöŸ ihn kommen; ich werde ihm mit der besten Art Platz machen, eh' er mich verdrö¤ngt. Machiavell. So rasch diesen wichtigen Schritt? Regentin. Schwerer, als du denkst. Wer zu herrschen gewohnt ist, wer's hergebracht hat, daöŸ jeden Tag das Schicksal von Tausenden in seiner Hand liegt, steigt vom Throne wie ins Grab. Aber besser so, als einem Gespenste gleich unter den Lebenden bleiben und mit hohlem Ansehn einen Platz behaupten wollen, den ihm ein anderer abgeerbt hat und nun besitzt und genieöŸt. Klö¤rchens Wohnung Klö¤rchen. Mutter. Mutter. So eine Liebe wie Brackenburgs hab ich nie gesehen; ich glaubte, sie sei nur in Heldengeschichten. Klö¤rchen (geht in der Stube auf und ab, ein Lied zwischen den Lippen summend). Glö¼cklich allein Ist die Seele, die liebt. Mutter. Er vermutet deinen Umgang mit Egmont; und ich glaube, wenn du ihm ein wenig freundlich tö¤test, wenn du wolltest, er heiratete dich noch. Klö¤rchen (singt). Freudvoll Und leidvoll, Gedankenvoll sein, Langen Und bangen In schwebender Pein, Himmelhoch jauchzend, Zum Tode betrö¼bt - Glö¼cklich allein Ist die Seele, die liebt. Mutter. LaöŸ das Heiopopeia. Klö¤rchen. Scheltet mir's nicht; es ist ein krö¤ftig Lied. Hab ich doch schon manchmal ein groöŸes Kind damit schlafen gewiegt. Mutter. Du hast doch nichts im Kopfe als deine Liebe. Vergö¤öŸest du nur nicht alles ö¼ber das eine. Den Brackenburg solltest du in Ehren halten, sag ich dir. Er kann dich noch einmal glö¼cklich machen. Klö¤rchen. Er? Mutter. O ja! es kommt eine Zeit! - Ihr Kinder seht nichts voraus und ö¼berhorcht unsre Erfahrungen. Die Jugend und die schö¶ne Liebe, alles hat sein Ende; und es kommt eine Zeit, wo man Gott dankt, wenn man irgendwo unterkriechen kann. Klö¤rchen (schaudert, schweigt und fö¤hrt auf). Mutter, laöŸt die Zeit kommen wie den Tod. Dran vorzudenken ist schreckhaft! - Und wenn er kommt! Wenn wir mö¼ssen - dann - wollen wir uns gebö¤rden, wie wir kö¶nnen - Egmont, ich dich entbehren! - (In Trö¤nen.) Nein, es ist nicht mö¶glich, nicht mö¶glich. Egmont (in einem Reitermantel, den Hut ins Gesicht gedrö¼ckt). Klö¤rchen! Klö¤rchen (tut einen Schrei, fö¤hrt zurö¼ck). Egmont! (Sie eilt auf ihn zu.) Egmont! (Sie umarmt ihn und ruht an ihm.) O du Guter, Lieber, Sö¼öŸer! Kommst du? bist du da! Egmont. Guten Abend, Mutter. Mutter. Gott grö¼öŸ' Euch, edler Herr! Meine Kleine ist fast vergangen, daöŸ Ihr so lang ausbleibt; sie hat wieder den ganzen Tag von Euch geredet und gesungen. Egmont. Ihr gebt mir doch ein Nachtessen? Mutter. Zu viel Gnade. Wenn wir nur etwas hö¤tten. Klö¤rchen. Freilich! Seid nur ruhig, Mutter; ich habe schon alles darauf eingerichtet, ich habe etwas zubereitet. Verratet mich nicht, Mutter. Mutter. Schmal genug. Klö¤rchen. Wartet nur! Und dann denk ich: wenn er bei mir ist, hab ich gar keinen Hunger; da sollte er auch keinen groöŸen Appetit haben, wenn ich bei ihm bin. Egmont. Meinst du? Klö¤rchen (stampft mit dem FuöŸe und kehrt sich unwillig um). Egmont. Wie ist dir? Klö¤rchen. Wie seid Ihr heute so kalt! Ihr habt mir noch keinen KuöŸ angeboten. Warum habt Ihr die Arme in den Mantel gewickelt wie ein Wochenkind? Ziemt keinem Soldaten noch Liebhaber, die Arme eingewickelt zu haben. Egmont. Zuzeiten, Liebchen, zuzeiten. Wenn der Soldat auf der Lauer steht und dem Feinde etwas ablisten mö¶chte, da nimmt er sich zusammen, faöŸt sich selbst in seine Arme und kaut seinen Anschlag reif. Und ein Liebhaber - Mutter. Wollt Ihr Euch nicht setzen? es Euch nicht bequem machen? Ich muöŸ in die Kö¼che; Klö¤rchen denkt an nichts, wenn Ihr da seid. Ihr mö¼öŸt fö¼rliebnehmen. Egmont. Euer guter Wille ist die beste Wö¼rze. (Mutter ab.) Klö¤rchen. Und was wö¤re denn meine Liebe? Egmont. So viel du willst. Klö¤rchen. Vergleicht sie, wenn Ihr das Herz habt. Egmont. Zuvö¶rderst also. (Er wirft den Mantel ab und steht in einem prö¤chtigen Kleide da.) Klö¤rchen. O je! Egmont. Nun hab ich die Arme frei. (Er herzt sie.) Klö¤rchen. LaöŸt! Ihr verderbt Euch. (Sie tritt zurö¼ck.) Wie prö¤chtig! Da darf ich Euch nicht anrö¼hren. Egmont. Bist du zufrieden? Ich versprach dir, einmal spanisch zu kommen. Klö¤rchen. Ich bat Euch zeither nicht mehr drum; ich dachte, Ihr wolltet nicht - Ach und das Goldne Vlies! Egmont. Da siehst du's nun. Klö¤rchen. Das hat dir der Kaiser umgehö¤ngt? Egmont. Ja, Kind! und Kette und Zeichen geben dem, der sie trö¤gt, die edelsten Freiheiten. Ich erkenne auf Erden keinen Richter ö¼ber meine Handlungen als den GroöŸmeister des Ordens, mit dem versammelten Kapitel der Ritter. Klö¤rchen. O du dö¼rftest die ganze Welt ö¼ber dich richten lassen. - Der Sammet ist gar zu herrlich, und die Passementarbeit! und das Gestickte! - Man weiöŸ nicht, wo man anfangen soll. Egmont. Sieh dich nur satt. Klö¤rchen. Und das Goldne Vlies! Ihr erzö¤hltet mir die Geschichte und sagtet, es sei ein Zeichen alles GroöŸen und Kostbaren, was man mit Mö¼h und FleiöŸ verdient und erwirbt. Es ist sehr kostbar - ich kann's deiner Liebe vergleichen. - Ich trage sie ebenso am Herzen - und hernach - Egmont. Was willst du sagen? Klö¤rchen. Hernach vergleicht sich's auch wieder nicht. Egmont. Wieso? Klö¤rchen. Ich habe sie nicht mit Mö¼h und FleiöŸ erworben, nicht verdient. Egmont. In der Liebe ist es anders. Du verdienst sie, weil du dich nicht darum bewirbst - und die Leute erhalten sie auch meist allein, die nicht darnach jagen. Klö¤rchen. Hast du das von dir abgenommen? Hast du diese stolze Anmerkung ö¼ber dich selbst gemacht? du, den alles Volk liebt? Egmont. Hö¤tt' ich nur etwas fö¼r sie getan! kö¶nnt' ich etwas fö¼r sie tun! Es ist ihr guter Wille, mich zu lieben. Klö¤rchen. Du warst gewiöŸ heute bei der Regentin? Egmont. Ich war bei ihr. Klö¤rchen. Bist du gut mit ihr? Egmont. Es sieht einmal so aus. Wir sind einander freundlich und dienstlich. Klö¤rchen. Und im Herzen? Egmont. Will ich ihr wohl. Jedes hat seine eignen Absichten. Das tut nichts zur Sache. Sie ist eine treffliche Frau, kennt ihre Leute, und sö¤he tief genug, wenn sie auch nicht argwö¶hnisch wö¤re. Ich mache ihr viel zu schaffen, weil sie hinter meinem Betragen immer Geheimnisse sucht, und ich keine habe. Klö¤rchen. So gar keine? Egmont. Eh nun! einen kleinen Hinterhalt. Jeder Wein setzt Weinstein in den Fö¤ssern an mit der Zeit. Oranien ist doch noch eine bessere Unterhaltung fö¼r sie und eine immer neue Aufgabe. Er hat sich in den Kredit gesetzt, daöŸ er immer etwas Geheimes vorhabe: und nun sieht sie immer nach seiner Stirne, was er wohl denken, auf seine Schritte, wohin er sie wohl richten mö¶chte. Klö¤rchen. Verstellt sie sich? Egmont. Regentin, und du fragst? Klö¤rchen. Verzeiht, ich wollte fragen: ist sie falsch? Egmont. Nicht mehr und nicht weniger als jeder, der seine Absichten erreichen will. Klö¤rchen. Ich kö¶nnte mich in die Welt nicht finden. Sie hat aber auch einen mö¤nnlichen Geist, sie ist ein ander Weib als wir Nö¤hterinnen und Kö¶chinnen. Sie ist groöŸ, herzhaft, entschlossen. Egmont. Ja, wenn's nicht gar zu bunt geht. Diesmal ist sie doch ein wenig aus der Fassung. Klö¤rchen. Wieso? Egmont. Sie hat auch ein Bö¤rtchen auf der Oberlippe, und manchmal einen Anfall von Podagra. Eine rechte Amazone! Klö¤rchen. Eine majestö¤tische Frau! Ich scheute mich, vor sie zu treten. Egmont. Du bist doch sonst nicht zaghaft - Es wö¤re auch nicht Furcht, nur jungfrö¤uliche Scham. Klö¤rchen (schlö¤gt die Augen nieder, nimmt seine Hand und lehnt sich an ihn). Egmont. Ich verstehe dich! liebes Mö¤dchen! du darfst die Augen aufschlagen. (Er kö¼öŸt ihre Augen.) Klö¤rchen. LaöŸ mich schweigen! LaöŸ mich dich halten. LaöŸ mich dir in die Augen sehen; alles drin finden, Trost und Hoffnung und Freude und Kummer. (Sie umarmt ihn und sieht ihn an.) Sag mir! Sage! ich begreife nicht! bist du Egmont? der Graf Egmont? der groöŸe Egmont, der so viel Aufsehn macht, von dem in den Zeitungen steht, an dem die Provinzen hö¤ngen? Egmont. Nein, Klö¤rchen, das bin ich nicht. Klö¤rchen. Wie? Egmont. Siehst du, Klö¤rchen! - LaöŸ mich sitzen! (Er setzt sich, sie kniet vor ihn auf einen Schemel, legt ihr Arme auf seinen SchoöŸ und sieht ihn an.) Jener Egmont ist ein verdrieöŸlicher, steifer, kalter Egmont, der an sich halten, bald dieses bald jenes Gesicht machen muöŸ; geplagt, verkannt, verwickelt ist, wenn ihn die Leute fö¼r froh und frö¶hlich halten; geliebt von einem Volke, das nicht weiöŸ, was es will; geehrt und in die Hö¶he getragen von einer Menge, mit der nichts anzufangen ist; umgeben von Freunden, denen er sich nicht ö¼berlassen darf; beobachtet von Menschen, die ihm auf alle Weise beikommen mö¶chten; arbeitend und sich bemö¼hend, oft ohne Zweck meist ohne Lohn - O laöŸ mich schweigen, wie es dem ergeht, wie es dem zumute ist. Aber dieser, Klö¤rchen, der ist ruhig, offen, glö¼cklich, geliebt und gekannt von dem besten Herzen, das auch er ganz kennt und mit voller Liebe und Zutrauen an das seine drö¼ckt. (Er umarmt sie.) Das ist dein Egmont! Klö¤rchen. So laöŸ mich sterben! Die Welt hat keine Freuden auf diese! Vierter Aufzug StraöŸe Jetter. Zimmermeister. Jetter. He! Pst! He, Nachbar, ein Wort! Zimmermeister. Geh deines Pfads und sei ruhig. Jetter. Nur ein Wort. Nichts Neues? Zimmermeister. Nichts, als daöŸ uns von Neuem zu reden verboten ist. Jetter. Wie? Zimmermeister. Tretet hier ans Haus an. Hö¼tet Euch! Der Herzog von Alba hat gleich bei seiner Ankunft einen Befehl ausgehen lassen, dadurch zwei oder drei, die auf der StraöŸe zusammen sprechen, des Hochverrats ohne Untersuchung schuldig erklö¤rt sind. Jetter. O weh! Zimmermeister. Bei ewiger Gefangenschaft ist verboten, von Staatssachen zu reden. Jetter. O unsre Freiheit! Zimmermeister. Und bei Todesstrafe soll niemand die Handlungen der Regierung miöŸbilligen. Jetter. O unsre Kö¶pfe! Zimmermeister. Und mit groöŸem Versprechen werden Vö¤ter, Mö¼tter, Kinder, Verwandte, Freunde, Dienstboten eingeladen, was in dem Innersten des Hauses vorgeht, bei dem besonders niedergesetzten Gerichte zu offenbaren. Jetter. Gehn wir nach Hause. Zimmermeister. Und den Folgsamen ist versprochen, daöŸ sie weder an Leibe, noch Ehre, noch Vermö¶gen einige Krö¤nkung erdulden sollen. Jetter. Wie gnö¤dig! War mir's doch gleich weh, wie der Herzog in die Stadt kam. Seit der Zeit ist mir's, als wö¤re der Himmel mit einem schwarzen Flor ö¼berzogen und hinge so tief herunter, daöŸ man sich bö¼cken mö¼sse, um nicht dran zu stoöŸen. Zimmermeister. Und wie haben dir seine Soldaten gefallen? Gelt! das ist eine andre Art von Krebsen, als wir sie sonst gewohnt waren. Jetter. Pfui! Es schnö¼rt einem das Herz ein, wenn man so einen Haufen die Gassen hinab marschieren sieht. Kerzengerad mit unverwandtem Blick, ein Tritt, soviel ihrer sind. Und wenn sie auf der Schildwache stehen und du gehst an einem vorbei, ist's, als wenn er dich durch und durch sehen wollte, und sieht so steif und mö¼rrisch aus, daöŸ du auf allen Ecken einen Zuchtmeister zu sehen glaubst. Sie tun mir gar nicht wohl. Unsre Miliz war doch noch ein lustig Volk; sie nahmen sich was heraus, standen mit ausgegrö¤tschten Beinen da, hatten den Hut ö¼berm Ohr, lebten und lieöŸen leben; diese Kerle aber sind wie Maschinen, in denen ein Teufel sitzt. Zimmermeister. Wenn so einer ruft. á»Halt!á« und anschlö¤gt, meinst du, man hielte? Jetter. Ich wö¤re gleich des Todes. Zimmermeister. Gehn wir nach Hause. Jetter. Es wird nicht gut. Adieu. (Soest tritt dazu.) Soest. Freunde! Genossen! Zimmermeister. Still! LaöŸt uns gehen. Soest. WiöŸt ihr? Jetter. Nur zu viel! Soest. Die Regentin ist weg. Jetter. Nun gnad' uns Gott! Zimmermeister. Die hielt uns noch. Soest. Auf einmal und in der Stille. Sie konnte sich mit dem Herzog nicht vertragen; sie lieöŸ dem Adel melden, sie komme wieder. Niemand glaubt's. Zimmermeister. Gott verzeih's dem Adel, daöŸ er uns diese neue GeiöŸel ö¼ber den Hals gelassen hat. Sie hö¤tten es abwenden kö¶nnen. Unsre Privilegien sind hin. Jetter. Um Gottes willen nichts von Privilegien! Ich wittre den Geruch von einem Exekutionsmorgen; die Sonne will nicht hervor, die Nebel stinken. Soest. Oranien ist auch weg. Zimmermeister. So sind wir denn ganz verlassen! Soest. Graf Egmont ist noch da. Jetter. Gott sei Dank! Stö¤rken ihn alle Heiligen, daöŸ er sein Bestes tut; der ist allein was vermö¶gend. (Vansen tritt auf.) Vansen. Find ich endlich ein paar, die noch nicht untergekrochen sind? Jetter. Tut uns den Gefallen und geht fö¼rbaöŸ. Vansen. Ihr seid nicht hö¶flich. Zimmermeister. Es ist gar keine Zeit zu Komplimenten. Juckt Euch der Buckel wieder? Seid Ihr schon durchgeheilt? Vansen. Fragt einen Soldaten nach seinen Wunden! Wenn ich auf Schlö¤ge was gegeben hö¤tte, wö¤re sein Tage nichts aus mir geworden. Jetter. Es kann ernstlicher werden. Vansen. Ihr spö¼rt von dem Gewitter, das aufsteigt, eine erbö¤rmliche Mattigkeit in den Gliedern, scheint's. Zimmermeister. Deine Glieder werden sich bald woanders eine Motion machen, wenn du nicht ruhst. Vansen. Armselige Mö¤use, die gleich verzweifeln, wenn der Hausherr eine neue Katze anschafft! Nur ein biöŸchen anders; aber wir treiben unser Wesen vor wie nach, seid nur ruhig. Zimmermeister. Du bist ein verwegener Taugenichts. Vansen. Gevatter Tropf! LaöŸ du den Herzog nur gewö¤hren. Der alte Kater sieht aus, als wenn er Teufel statt Mö¤use gefressen hö¤tte und kö¶nnte sie nun nicht verdauen. LaöŸt ihn nur erst; er muöŸ auch essen, trinken, schlafen wie andere Menschen. Es ist mir nicht bange, wenn wir unsere Zeit recht nehmen. Im Anfange geht's rasch; nachher wird er auch finden, daöŸ in der Speisekammer unter den Speckseiten besser leben ist und des Nachts zu ruhen, als auf dem Fruchtboden einzelne Mö¤uschen zu erlisten. Geht nur, ich kenne die Statthalter. Zimmermeister. Was so einem Menschen alles durchgeht! Wenn ich in meinem Leben so etwas gesagt hö¤tte, hielt' ich mich keine Minute fö¼r sicher. Vansen. Seid nur ruhig! Gott im Himmel erfö¤hrt nichts von euch Wö¼rmern, geschweige der Regent. Jetter. Lö¤stermaul! Vansen. Ich weiöŸ andere, denen es besser wö¤re, sie hö¤tten statt ihres Heldenmuts eine Schneiderader im Leibe. Zimmermeister. Was wollt Ihr damit sagen? Vansen. Hm! den Grafen mein ich. Jetter. Egmont! Was soll der fö¼rchten? Vansen. Ich bin ein armer Teufel und kö¶nnte ein ganzes Jahr leben von dem, was er in einem Abende verliert. Und doch kö¶nnt' er mir sein Einkommen eines ganzen Jahres geben, wenn er meinen Kopf auf eine Viertelstunde hö¤tte. Jetter. Du denkst dich was Rechts. Egmonts Haare sind gescheiter als dein Hirn. Vansen. Redt Ihr! Aber nicht feiner. Die Herren betriegen sich am ersten. Er sollte nicht trauen. Jetter. Was er schwö¤tzt! So ein Herr! Vansen. Eben weil er kein Schneider ist. Jetter. Ungewaschen Maul! Vansen. Dem wollt' ich Eure Courage nur eine Stunde in die Glieder wö¼nschen, daöŸ sie ihm da Unruh machte und ihn so lange neckte und juckte, bis er aus der Stadt mö¼öŸte. Jetter. Ihr redet recht unverstö¤ndig; er ist so sicher wie der Stern am Himmel. Vansen. Hast du nie einen sich schneuzen gesehn? Weg war er! Zimmermeister. Wer will ihm denn was tun? Vansen. Wer will? Willst du's etwa hindern? Willst du einen Aufruhr erregen, wenn sie ihn gefangennehmen? Jetter. Ah! Vansen. Wollt ihr eure Rippen fö¼r ihn wagen? Soest. Eh! Vansen (sie nachö¤ffend). Ih! Oh! Uh! Verwundert euch durchs ganze Alphabet. So ist's und bleibt's! Gott bewahre ihn! Jetter. Ich erschrecke ö¼ber Eure Unverschö¤mtheit. So ein edler, rechtschaffener Mann sollte was zu befö¼rchten haben? Vansen. Der Schelm sitzt ö¼berall im Vorteil. Auf dem Armensö¼nderstö¼hlchen hat er den Richter zum Narren; auf dem Richterstuhl macht er den Inquisiten mit Lust zum Verbrecher. Ich habe so ein Protokoll abzuschreiben gehabt, wo der Kommissarius schwer Lob und Geld vom Hofe erhielt, weil er einen ehrlichen Teufel, an den man wollte, zum Schelmen verhö¶rt hatte. Zimmermeister. Das ist wieder frisch gelogen. Was wollen sie denn heraus verhö¶ren, wenn einer unschuldig ist? Vansen. O Spatzenkopf! Wo nichts herauszuverhö¶ren ist, da verhö¶rt man hinein. Ehrlichkeit macht unbesonnen, auch wohl trotzig. Da fragt man erst recht sachte weg, und der Gefangne ist stolz auf seine Unschuld, wie sie's heiöŸen, und sagt alles geradezu, was ein Verstö¤ndiger verbö¤rge. Dann macht der Inquisitor aus den Antworten wieder Fragen und paöŸt ja auf, wo irgendein Widersprö¼chelchen erscheinen will; da knö¼pft er seinen Strick an, und lö¤öŸt sich der dumme Teufel betreten, daöŸ er hier etwas zu viel, dort etwas zu wenig gesagt oder wohl gar aus Gott weiöŸ was fö¼r einer Grille einen Umstand verschwiegen hat, auch wohl irgend an einem Ende sich hat schrecken lassen: dann sind wir auf dem rechten Weg! Und ich versichre euch, mit mehr Sorgfalt suchen die Bettelweiber nicht die Lumpen aus dem Kehricht, als so ein Schelmenfabrikant aus kleinen, schiefen, verschobenen, verrö¼ckten, verdrö¼ckten, geschlossenen, bekannten, geleugneten Anzeigen und Umstö¤nden sich endlich einen strohlumpenen Vogelscheu zusammenkö¼nstelt, um wenigstens seinen Inquisiten in effigie hö¤ngen zu kö¶nnen. Und Gott mag der arme Teufel danken, wenn er sich noch kann hö¤ngen sehen. Jetter. Der hat eine gelö¤ufige Zunge. Zimmermeister. Mit Fliegen mag das angehen. Die Wespen lachen Eures Gespinstes. Vansen. Nachdem die Spinnen sind. Seht, der lange Herzog hat euch so ein rein Ansehn von einer Kreuzspinne, nicht einer dickbö¤uchigen, die sind weniger schlimm, aber so einer langfö¼öŸigen, schmalleibigen, die vom FraöŸe nicht feist wird und recht dö¼nne Fö¤den zieht, aber desto zö¤here. Jetter. Egmont ist Ritter des Goldnen Vlieses; wer darf Hand an ihn legen? Nur von seinesgleichen kann er gerichtet werden, nur vom gesamten Orden. Dein loses Maul, dein bö¶ses Gewissen verfö¼hren dich zu solchem Geschwö¤tz. Vansen. Will ich ihm darum ö¼bel? Mir kann's recht sein. Es ist ein trefflicher Herr. Ein paar meiner guten Freunde, die anderwö¤rts schon wö¤ren gehangen worden, hat er mit einem Buckel voll Schlö¤ge verabschiedet. Nun geht! Geht! Ich rat es euch selbst. Dort seh ich wieder eine Runde antreten; die sehen nicht aus, als wenn sie so bald Brö¼derschaft mit uns trinken wö¼rden. Wir wollen's abwarten und nur sachte zusehen. Ich hab ein paar Nichten und einen Gevatter Schenkwirt; wenn sie von denen gekostet haben und werden dann nicht zahm, so sind sie ausgepichte Wö¶lfe. Der Culenburgische Palast Wohnung des Herzogs von Alba Silva und Gomez begegnen einander. Silva. Hast du die Befehle des Herzogs ausgerichtet? Gomez. Pö¼nktlich. Alle tö¤gliche Runden sind beordert, zur bestimmten Zeit an verschiedenen Plö¤tzen einzutreffen, die ich ihnen bezeichnet habe; sie gehen indes, wie gewö¶hnlich, durch die Stadt, um Ordnung zu erhalten. Keiner weiöŸ von dem andern; jeder glaubt, der Befehl gehe ihn allein an, und in einem Augenblick kann alsdann der Kordon gezogen und alle Zugö¤nge zum Palast kö¶nnen besetzt sein. WeiöŸt du die Ursache dieses Befehls? Silva. Ich bin gewohnt, blindlings zu gehorchen. Und wem gehorcht sich's leichter als dem Herzoge, da bald der Ausgang beweist, daöŸ er recht befohlen hat? Gomez. Gut! Gut! Auch scheint es mir kein Wunder, daöŸ du so verschlossen und einsilbig wirst wie er, da du immer um ihn sein muöŸt. Mir kommt es fremd vor, da ich den leichteren italienischen Dienst gewohnt bin. An Treue und Gehorsam bin ich der alte; aber ich habe mir das Schwö¤tzen und Rö¤sonieren angewö¶hnt. Ihr schweigt alle und laöŸt es euch nie wohl sein. Der Herzog gleicht mir einem ehrnen Turm ohne Pforte, wozu die Besatzung Flö¼gel hö¤tte. Neulich hö¶rt' ich ihn bei Tafel von einem frohen freundlichen Menschen sagen: er sei wie eine schlechte Schenke mit einem ausgesteckten Branntweinzeichen, um Mö¼öŸiggö¤nger, Bettler und Diebe hereinzulocken. Silva. Und hat er uns nicht schweigend hierhergefö¼hrt? Gomez. Dagegen ist nichts zu sagen. GewiöŸ! Wer Zeuge seiner Klugheit war, wie er die Armee aus Italien hierher brachte, der hat etwas gesehen. Wie er sich durch Freund und Feind, durch die Franzosen, Kö¶niglichen und Ketzer, durch die Schweizer und Verbundnen gleichsam durchschmiegte, die strengste Mannszucht hielt und einen Zug, den man so gefö¤hrlich achtete, leicht und ohne AnstoöŸ zu leiten wuöŸte! - Wir haben was gesehen, was lernen kö¶nnen. Silva. Auch hier! Ist nicht alles still und ruhig, als wenn kein Aufstand gewesen wö¤re? Gomez. Nun, es war auch schon meist still, als wir her kamen. Silva. In den Provinzen ist es viel ruhiger geworden; und wenn sich noch einer bewegt, so ist es, um zu entfliehen. Aber auch diesen wird er die Wege bald versperren, denk ich. Gomez. Nun wird er erst die Gunst des Kö¶nigs gewinnen. Silva. Und uns bleibt nichts angelegener, als uns die seinige zu erhalten. Wenn der Kö¶nig hieherkommt, bleibt gewiöŸ der Herzog und jeder, den er empfiehlt, nicht unbelohnt. Gomez. Glaubst du, daöŸ der Kö¶nig kommt? Silva. Es werden so viele Anstalten gemacht, daöŸ es hö¶chst wahrscheinlich ist. Gomez. Mich ö¼berreden sie nicht. Silva. So rede wenigstens nicht davon. Denn wenn des Kö¶nigs Absicht ja nicht sein sollte zu kommen, so ist sie's doch wenigstens gewiöŸ, daöŸ man es glauben soll. (Ferdinand, Albas natö¼rlicher Sohn.) Ferdinand. Ist mein Vater noch nicht heraus? Silva. Wir warten auf ihn. Ferdinand. Die Fö¼rsten werden bald hier sein. Gomez. Kommen sie heute? Ferdinand. Oranien und Egmont. Gomez (leise zu Silva). Ich begreife etwas. Silva. So behalt es fö¼r dich. (Herzog von Alba. - Wie er herein- und hervortritt, treten die andern zurö¼ck.) Alba. Gomez. Gomez (tritt vor). Herr! Alba. Du hast die Wachen verteilt und beordert? Gomez. Aufs genaueste. Die tö¤glichen Runden - Alba. Genug. Du wartest in der Galerie. Silva wird dir den Augenblick sagen, wenn du sie zusammenziehen, die Zugö¤nge nach dem Palast besetzen sollst. Das ö¼brige weiöŸt du. Gomez. Ja, Herr! (Ab.) Alba. Silva! Silva. Hier bin ich. Alba. Alles, was ich von jeher an dir geschö¤tzt habe, Mut, Entschlossenheit, unaufhaltsames Ausfö¼hren, das zeige heut. Silva. Ich danke Euch, daöŸ Ihr mir Gelegenheit gebt zu zeigen, daöŸ ich der alte bin. Alba. Sobald die Fö¼rsten bei mir eingetreten sind, dann eile gleich, Egmonts Geheimschreiber gefangenzunehmen. Du hast alle Anstalten gemacht, die ö¼brigen, welche bezeichnet sind, zu fahen? Silva. Vertraue auf uns. Ihr Schicksal wird sie, wie eine wohlberechnete Sonnenfinsternis, pö¼nktlich und schrecklich treffen. Alba. Hast du sie genau beobachten lassen? Silva. Alle; den Egmont vor andern. Er ist der einzige, der, seit du hier bist, sein Betragen nicht geö¤ndert hat. Den ganzen Tag von einem Pferd aufs andere, ladet Gö¤ste, ist immer lustig und unterhaltend bei Tafel, wö¼rfelt, schieöŸt und schleicht nachts zum Liebchen. Die andern haben dagegen eine merkliche Pause in ihrer Lebensart gemacht; sie bleiben bei sich; vor ihrer Tö¼re sieht's aus, als wenn ein Kranker im Hause wö¤re. Alba. Drum rasch! eh sie uns wider Willen genesen. Silva. Ich stelle sie. Auf deinen Befehl ö¼berhö¤ufen wir sie mit dienstfertigen Ehren. Ihnen graut's; politisch geben sie uns einen ö¤ngstlichen Dank, fö¼hlen, das Rö¤tlichste sei, zu entfliehen, keiner wagt einen Schritt, sie zaudern, kö¶nnen sich nicht vereinigen; und einzeln etwas Kö¼hnes zu tun, hö¤lt sie der Gemeingeist ab. Sie mö¶chten gern sich jedem Verdacht entziehen und machen sich immer verdö¤chtiger. Schon seh ich mit Freuden deinen ganzen Anschlag ausgefö¼hrt. Alba. Ich freue mich nur ö¼ber das Geschehene; und auch ö¼ber das nicht leicht; denn es bleibt stets noch ö¼brig, was uns zu denken und zu sorgen gibt. Das Glö¼ck ist eigensinnig, oft das Gemeine, das Nichtswö¼rdige zu adeln und wohlö¼berlegte Taten mit einem gemeinen Ausgang zu entehren. Verweile, bis die Fö¼rsten kommen; dann gib Gomez die Ordre, die StraöŸen zu besetzen, und eile selbst, Egmonts Schreiber und die ö¼brigen gefangenzunehmen, die dir bezeichnet sind. Ist es getan, so komm hierher und meld es meinem Sohne, daöŸ er mir in den Rat die Nachricht bringe. Silva. Ich hoffe, diesen Abend vor dir stehn zu dö¼rfen. (Alba geht nach seinem Sohne, der bisher in der Galerie gestanden.) Silva. Ich traue mir es nicht zu sagen; aber meine Hoffnung schwankt. Ich fö¼rchte, es wird nicht werden, wie er denkt. Ich sehe Geister vor mir, die still und sinnend auf schwarzen Schalen das Geschick der Fö¼rsten und vieler Tausende wö¤gen. Langsam wankt das Zö¼nglein auf und ab; tief scheinen die Richter zu sinnen; zuletzt sinkt diese Schale, steigt jene, angehaucht vom Eigensinn des Schicksals, und entschieden ist's. (Ab.) (Alba mit Ferdinand hervortretend.) Alba. Wie fandst du die Stadt? Ferdinand. Es hat sich alles gegeben. Ich ritt, als wie zum Zeitvertreib, straöŸauf, straöŸab. Eure wohlverteilten Wachen halten die Furcht so angespannt, daöŸ sie sich nicht zu lispeln untersteht. Die Stadt sieht einem Felde ö¤hnlich, wenn das Gewitter von weitem leuchtet; man erblickt keinen Vogel, kein Tier, als das eilend nach einem Schutzorte schlö¼pft. Alba. Ist dir nichts weiter begegnet? Ferdinand. Egmont kam mit einigen auf den Markt geritten; wir grö¼öŸten uns; er hatte ein rohes Pferd, das ich ihm loben muöŸte. á»LaöŸt uns eilen, Pferde zuzureiten, wir werden sie bald brauchen!á« rief er mir entgegen. Er werde mich noch heute wiedersehn, sagte er, und komme, auf Euer Verlangen, mit Euch zu ratschlagen. Alba. Er wird dich wiedersehn. Ferdinand. Unter allen Rittern, die ich hier kenne, gefö¤llt er mir am besten. Es scheint, wir werden Freunde sein. Alba. Du bist noch immer zu schnell und wenig behutsam; immer erkenn ich in dir den Leichtsinn deiner Mutter, der mir sie unbedingt in die Arme lieferte. Zu mancher gefö¤hrlichen Verbindung lud dich der Anschein voreilig ein. Ferdinand. Euer Wille findet mich bildsam. Alba. Ich vergebe deinem jungen Blute dies leichtsinnige Wohlwollen, diese unachtsame Frö¶hlichkeit. Nur vergiöŸ nicht, zu welchem Werke ich gesandt bin, und welchen Teil ich dir dran geben mö¶chte. Ferdinand. Erinnert mich, und schont mich nicht, wo Ihr es nö¶tig haltet. Alba (nach einer Pause). Mein Sohn! Ferdinand. Mein Vater! Alba. Die Fö¼rsten kommen bald, Oranien und Egmont kommen. Es ist nicht MiöŸtrauen, daöŸ ich dir erst jetzt entdecke, was geschehen soll. Sie werden nicht wieder von hinnen gehn. Ferdinand. Was sinnst du? Alba. Es ist beschlossen, sie festzuhalten. - Du erstaunst! Was du zu tun hast, hö¶re; die Ursachen sollst du wissen, wenn es geschehn ist. Jetzt bleibt keine Zeit, sie auszulegen. Mit dir allein wö¼nscht' ich das Grö¶öŸte, das Geheimste zu besprechen; ein starkes Band hö¤lt uns zusammengefesselt; du bist mir wert und lieb; auf dich mö¶cht' ich alles hö¤ufen. Nicht die Gewohnheit zu gehorchen allein mö¶cht' ich dir einprö¤gen; auch den Sinn, auszudenken, zu befehlen, auszufö¼hren, wö¼nscht' ich in dir fortzupflanzen; dir ein groöŸes Erbteil, dem Kö¶nige den brauchbarsten Diener zu hinterlassen; dich mit dem Besten, was ich habe, auszustatten, daöŸ du dich nicht schö¤men dö¼rfest, unter deine Brö¼der zu treten. Ferdinand. Was werd ich dir nicht fö¼r diese Liebe schuldig, die du mir allein zuwendest, indem ein ganzes Reich vor dir zittert! Alba. Nun hö¶re, was zu tun ist. Sobald die Fö¼rsten eingetreten sind, wird jeder Zugang zum Palaste besetzt. Dazu hat Gomez die Ordre. Silva wird eilen, Egmonts Schreiber mit den Verdö¤chtigsten gefangenzunehmen. Du hö¤ltst die Wache am Tore und in den Hö¶fen in Ordnung. Vor allen Dingen besetze diese Zimmer hier neben mit den sichersten Leuten; dann warte auf der Galerie, bis Silva wiederkommt, und bringe mir irgendein unbedeutend Blatt herein, zum Zeichen, daöŸ sein Auftrag ausgerichtet ist. Dann bleib im Vorsaale, bis Oranien weggeht; folg ihm; ich halte Egmont hier, als ob ich ihm noch was zu sagen hö¤tte. Am Ende der Galerie fordre Oraniens Degen, rufe die Wache an, verwahre schnell den gefö¤hrlichsten Mann; und ich fasse Egmont hier. Ferdinand. Ich gehorche, mein Vater. Zum erstenmal mit schwerem Herzen und mit Sorge. Alba. Ich verzeihe dir's; es ist der erste groöŸe Tag, den du erlebst. (Silva tritt herein.) Silva. Ein Bote von Antwerpen. Hier ist Oraniens Brief! Er kommt nicht. Alba. Sagt' es der Bote? Silva. Nein, mir sagt's das Herz. Alba. Aus dir spricht mein bö¶ser Genius. (Nachdem er den Brief gelesen, winkt er beiden, und sie ziehen sich in die Galerie zurö¼ck. Er bleibt allein auf dem Vorderteile.) Er kommt nicht! Bis auf den letzten Augenblick verschiebt er, sich zu erklö¤ren. Er wagt es, nicht zu kommen! So war denn diesmal wider Vermuten der Kluge klug genug, nicht klug zu sein! - Es rö¼ckt die Uhr! Noch einen kleinen Weg des Seigers, und ein groöŸes Werk ist getan oder versö¤umt, unwiederbringlich versö¤umt; denn es ist weder nachzuholen, noch zu verheimlichen. Lö¤ngst hatt' ich alles reiflich abgewogen, und mir auch diesen Fall gedacht, mir festgesetzt, was auch in diesem Falle zu tun sei; und jetzt, da es zu tun ist, wehr ich mir kaum, daöŸ nicht das Fö¼r und Wider mir aufs neue durch die Seele schwankt. - Ist's rö¤tlich, die andern zu fangen, wenn er mir entgeht? Schieb ich es auf und laöŸ Egmont mit den Seinigen, mit so vielen entschlö¼pfen, die nun, vielleicht nur heute noch, in meinen Hö¤nden sind? So zwingt dich das Geschick denn auch, du Unbezwinglicher? Wie lang gedacht! Wie wohl bereitet! Wie groöŸ, wie schö¶n der Plan! Wie nah die Hoffnung ihrem Ziele! und nun im Augenblick des Entscheidens bist du zwischen zwei öœbel gestellt; wie in einen Lostopf greifst du in die dunkle Zukunft; was du fassest, ist noch zugerollt, dir unbewuöŸt, sei's Treffer oder Fehler! (Er wird aufmerksam, wie einer, der etwas hö¶rt, und tritt ans Fenster.) Er ist es! Egmont! - Trug dich dein Pferd so leicht herein und scheute vor dem Blutgeruche nicht und vor dem Geiste mit dem blanken Schwert, der an der Pforte dich empfö¤ngt? - Steig ab! - So bist du mit dem einen FuöŸ im Grab! und so mit beiden! - ja streichl' es nur und klopfe fö¼r seinen mutigen Dienst zum letztenmale den Nacken ihm - Und mir bleibt keine Wahl. In der Verblendung, wie hier Egmont naht, kann er dir nicht zum zweitenmal sich liefern! - Hö¶rt! (Ferdinand und Silva treten eilig herbei.) Alba. Ihr tut, was ich befahl; ich ö¤ndre meinen Willen nicht. Ich halte, wie es gehn will, Egmont auf, bis du mir von Silva die Nachricht gebracht hast. Dann bleib in der Nö¤he. Auch dir raubt das Geschick das groöŸe Verdienst, des Kö¶nigs grö¶öŸten Feind mit eigener Hand gefangen zu haben. (Zu Silva.) Eile! (Zu Ferdinand.) Geh ihm entgegen. (Alba bleibt einige Augenblicke allein und geht schweigend auf und ab.) (Egmont tritt auf.) Egmont. Ich komme, die Befehle des Kö¶nigs zu vernehmen, zu hö¶ren, welchen Dienst er von unserer Treue verlangt, die ihm ewig ergeben bleibt. Alba. Er wö¼nscht vor allen Dingen Euern Rat zu hö¶ren. Egmont. öœber welchen Gegenstand? Kommt Oranien auch? Ich vermutete ihn hier. Alba. Mir tut es leid, daöŸ er uns eben in dieser wichtigen Stunde fehlt. Euern Rat, Eure Meinung wö¼nscht der Kö¶nig, wie diese Staaten wieder zu befriedigen. Ja, er hofft, Ihr werdet krö¤ftig mitwirken, diese Unruhen zu stillen und die Ordnung der Provinzen vö¶llig und dauerhaft zu grö¼nden. Egmont. Ihr kö¶nnt besser wissen als ich, daöŸ schon alles genug beruhigt ist, ja, noch mehr beruhigt war, eh die Erscheinung der neuen Soldaten wieder mit Furcht und Sorge die Gemö¼ter bewegte. Alba. Ihr scheint andeuten zu wollen, das Rö¤tlichste sei gewesen, wenn der Kö¶nig mich gar nicht in den Fall gesetzt hö¤tte, Euch zu fragen. Egmont. Verzeiht! Ob der Kö¶nig das Heer hö¤tte schicken sollen, ob nicht vielmehr die Macht seiner majestö¤tischen Gegenwart allein stö¤rker gewirkt hö¤tte, ist meine Sache nicht zu beurteilen. Das Heer ist da, er nicht. Wir aber mö¼öŸten sehr undankbar, sehr vergessen sein, wenn wir uns nicht erinnerten, was wir der Regentin schuldig sind. Bekennen wir! Sie brachte durch ihr so kluges als tapferes Betragen die Aufrö¼hrer mit Gewalt und Ansehn, mit öœberredung und List zur Ruhe und fö¼hrte zum Erstaunen der Welt ein rebellisches Volk in wenigen Monaten zu seiner Pflicht zurö¼ck. Alba. Ich leugne es nicht. Der Tumult ist gestillt, und jeder scheint in die Grenzen des Gehorsams zurö¼ckgebannt. Aber hö¤ngt es nicht von eines jeden Willkö¼r ab, sie zu verlassen? Wer will das Volk hindern loszubrechen? Wo ist die Macht, sie abzuhalten? Wer bö¼rgt uns, daöŸ sie sich ferner treu und untertö¤nig zeigen werden? Ihr guter Wille ist alles Pfand, das wir haben. Egmont. Und ist der gute Wille eines Volks nicht das sicherste, das edelste Pfand? Bei Gott! Wann darf sich ein Kö¶nig sicherer halten, als wenn sie alle fö¼r einen, einer fö¼r alle stehn? Sicherer gegen innere und ö¤uöŸere Feinde? Alba. Wir werden uns doch nicht ö¼berreden sollen, daöŸ es jetzt hier so steht? Egmont. Der Kö¶nig schreibe einen Generalpardon aus, er beruhige die Gemö¼ter; und bald wird man sehen, wie Treue und Liebe mit dem Zutrauen wieder zurö¼ckkehrt. Alba. Und jeder, der die Majestö¤t des Kö¶nigs, der das Heiligtum der Religion geschö¤ndet, ginge frei und ledig hin und wider! lebte den andern zum bereiten Beispiel, daöŸ ungeheure Verbrechen straflos sind? Egmont. Und ist ein Verbrechen des Unsinns, der Trunkenheit nicht eher zu entschuldigen, als grausam zu bestrafen? Besonders wo so sichre Hoffnung, wo GewiöŸheit ist, daöŸ die öœbel nicht wiederkehren werden? Waren Kö¶nige darum nicht sicherer? Werden sie nicht von Welt und Nachwelt gepriesen, die eine Beleidigung ihrer Wö¼rde vergeben, bedauern, verachten konnten? Werden sie nicht eben deswegen Gott gleich gehalten, der viel zu groöŸ ist, als daöŸ an ihn jede Lö¤sterung reichen sollte? Alba. Und eben darum soll der Kö¶nig fö¼r die Wö¼rde Gottes und der Religion, wir sollen fö¼r das Ansehn des Kö¶nigs streiten. Was der obere abzulehnen verschmö¤ht, ist unsere Pflicht zu rö¤chen. Ungestraft soll, wenn ich rate, kein Schuldiger sich freuen. Egmont. Glaubst du, daöŸ du sie alle erreichen wirst? Hö¶rt man nicht tö¤glich, daöŸ die Furcht sie hie- und dahin, sie aus dem Lande treibt? Die Reichsten werden ihre Gö¼ter, sich, ihre Kinder und Freunde flö¼chten; der Arme wird seine nö¼tzlichen Hö¤nde dem Nachbar zubringen. Alba. Sie werden, wenn man sie nicht verhindern kann. Darum verlangt der Kö¶nig Rat und Tat von jedem Fö¼rsten, Ernst von jedem Statthalter; nicht nur Erzö¤hlung, wie es ist, was werden kö¶nnte, wenn man alles gehen lieöŸe, wie's geht. Einem groöŸen öœbel zusehen, sich mit Hoffnung schmeicheln, der Zeit vertrauen, etwa einmal dreinschlagen, wie im Fastnachtsspiel, daöŸ es klatscht und man doch etwas zu tun scheint, wenn man nichts tun mö¶chte, heiöŸt das nicht, sich verdö¤chtig machen, als sehe man dem Aufruhr mit Vergnö¼gen zu, den man nicht erregen, wohl aber hegen mö¶chte! Egmont (im Begriff aufzufahren, nimmt sich zusammen und spricht nach einer kleinen Pause gesetzt). Nicht jede Absicht ist offenbar, und manches Mannes Absicht ist zu miöŸdeuten. MuöŸ man doch auch von allen Seiten hö¶ren: es sei des Kö¶nigs Absicht weniger, die Provinzen nach einfö¶rmigen und klaren Gesetzen zu regieren, die Majestö¤t der Religion zu sichern und einen allgemeinen Frieden seinem Volke zu geben, als vielmehr sie unbedingt zu unterjochen, sie ihrer alten Rechte zu berauben, sich Meister von ihren Besitztö¼mern zu machen, die schö¶nen Rechte des Adels einzuschrö¤nken, um derentwillen der Edle allein ihm dienen, ihm Leib und Leben widmen mag. Die Religion, sagt man, sei nur ein prö¤chtiger Teppich, hinter dem man jeden gefö¤hrlichen Anschlag nur desto leichter ausdenkt. Das Volk liegt auf den Knien, betet die heiligen gewirkten Zeichen an, und hinten lauscht der Vogelsteller, der sie berö¼cken will. Alba. Das muöŸ ich von dir hö¶ren? Egmont. Nicht meine Gesinnungen! Nur was bald hier bald da, von GroöŸen und von Kleinen, Klugen und Toren gesprochen, laut verbreitet wird. Die Niederlö¤nder fö¼rchten ein doppeltes Joch, und wer bö¼rgt ihnen fö¼r ihre Freiheit? Alba. Freiheit? Ein schö¶nes Wort, wer's recht verstö¤nde. Was wollen sie fö¼r Freiheit? Was ist des Freiesten Freiheit? - Recht zu tun! - und daran wird sie der Kö¶nig nicht hindern. Nein! nein! sie glauben sich nicht frei, wenn sie sich nicht selbst und andern schaden kö¶nnen. Wö¤re es nicht besser, abzudanken, als ein solches Volk zu regieren? Wenn auswö¤rtige Feinde drö¤ngen, an die kein Bö¼rger denkt, der mit dem Nö¤chsten nur beschö¤ftigt ist, und der Kö¶nig verlangt Beistand: dann werden sie uneins unter sich, und verschwö¶ren sich gleichsam mit ihren Feinden. Weit besser ist's, sie einzuengen, daöŸ man sie wie Kinder halten, wie Kinder zu ihrem Besten leiten kann. Glaube nur, ein Volk wird nicht alt, nicht klug; ein Volk bleibt immer kindisch. Egmont. Wie selten kommt ein Kö¶nig zu Verstand! Und sollen sich viele nicht lieber vielen vertrauen als einem? und nicht einmal dem einen, sondern den wenigen des einen, dem Volke, das an den Blicken seines Herrn altert. Das hat wohl allein das Recht, klug zu werden. Alba. Vielleicht eben darum, weil es sich nicht selbst ö¼berlassen ist. Egmont. Und darum niemand gern sich selbst ö¼berlassen mö¶chte. Man tue, was man will; ich habe auf deine Frage geantwortet und wiederhole: Es geht nicht! Es kann nicht gehen! Ich kenne meine Landsleute. Es sind Mö¤nner, wert, Gottes Boden zu betreten; ein jeder rund fö¼r sich, ein kleiner Kö¶nig, fest, rö¼hrig, fö¤hig, treu, an alten Sitten hangend. Schwer ist's, ihr Zutrauen zu verdienen; leicht, zu erhalten. Starr und fest! Zu drö¼cken sind sie; nicht zu unterdrö¼cken. Alba (der sich indes einigemal umgesehen hat). Solltest du das alles in des Kö¶nigs Gegenwart wiederholen? Egmont. Desto schlimmer, wenn mich seine Gegenwart abschreckte! Desto besser fö¼r ihn, fö¼r sein Volk, wenn er mir Mut machte, wenn er mir Zutrauen einflö¶öŸte, noch weit mehr zu sagen. Alba. Was nö¼tzlich ist, kann ich hö¶ren wie er. Egmont. Ich wö¼rde ihm sagen: Leicht kann der Hirt eine ganze Herde Schafe vor sich hintreiben, der Stier zieht seinen Pflug ohne Widerstand; aber dem edeln Pferde, das du reiten willst, muöŸt du seine Gedanken ablernen, du muöŸt nichts Unkluges, nichts unklug von ihm verlangen. Darum wö¼nscht der Bö¼rger seine alte Verfassung zu behalten, von seinen Landsleuten regiert zu sein, weil er weiöŸ, wie er gefö¼hrt wird, weil er von ihnen Uneigennutz, Teilnehmung an seinem Schicksal hoffen kann. Alba. Und sollte der Regent nicht Macht haben, dieses alte Herkommen zu verö¤ndern? und sollte nicht eben dies sein schö¶nstes Vorrecht sein? Was ist bleibend auf dieser Welt? und sollte eine Staatseinrichtung bleiben kö¶nnen? MuöŸ nicht in einer Zeitfolge jedes Verhö¤ltnis sich verö¤ndern und eben darum eine alte Verfassung die Ursache von tausend öœbeln werden, weil sie den gegenwö¤rtigen Zustand des Volkes nicht umfaöŸt? Ich fö¼rchte, diese alten Rechte sind darum so angenehm, weil sie Schlupfwinkel bilden, in welchen der Kluge, der Mö¤chtige, zum Schaden des Volks, zum Schaden des Ganzen, sich verbergen oder durchschleichen kann. Egmont. Und diese willkö¼rlichen Verö¤nderungen, diese unbeschrö¤nkten Eingriffe der hö¶chsten Gewalt, sind sie nicht Vorboten, daöŸ einer tun will, was Tausende nicht tun sollen? Er will sich allein frei machen, um jeden seiner Wö¼nsche befriedigen, jeden seiner Gedanken ausfö¼hren zu kö¶nnen. Und wenn wir uns ihm, einem guten weisen Kö¶nige, ganz vertrauten, sagt er uns fö¼r seine Nachkommen gut? daöŸ keiner ohne Rö¼cksicht, ohne Schonung regieren werde? Wer rettet uns alsdann von vö¶lliger Willkö¼r, wenn er uns seine Diener, seine Nö¤chsten sendet, die ohne Kenntnis des Landes und seiner Bedö¼rfnisse nach Belieben schalten und walten, keinen Widerstand finden und sich von jeder Verantwortung frei wissen. Alba (der sich indes wieder umgesehen hat). Es ist nichts natö¼rlicher, als daöŸ ein Kö¶nig durch sich zu herrschen gedenkt und denen seine Befehle am liebsten auftrö¤gt, die ihn am besten verstehen, verstehen wollen, die seinen Willen unbedingt ausrichten. Egmont. Und ebenso natö¼rlich ist's, daöŸ der Bö¼rger von dem regiert sein will, der mit ihm geboren und erzogen ist, der gleichen Begriff mit ihm von Recht und Unrecht gefaöŸt hat, den er als seinen Bruder ansehen kann. Alba. Und doch hat der Adel mit diesen seinen Brö¼dern sehr ungleich geteilt. Egmont. Das ist vor Jahrhunderten geschehen und wird jetzt ohne Neid geduldet. Wö¼rden aber neue Menschen ohne Not gesendet, die sich zum zweitenmale auf Unkosten der Nation bereichern wollten, sö¤he man sich einer strengen, kö¼hnen, unbedingten Habsucht ausgesetzt; das wö¼rde eine Gö¤rung machen, die sich nicht leicht in sich selbst auflö¶ste. Alba. Du sagst mir, was ich nicht hö¶ren sollte: auch ich bin fremd. Egmont. DaöŸ ich dir's sage, zeigt dir, daöŸ ich dich nicht meine. Alba. Und auch so wö¼nscht' ich es nicht von dir zu hö¶ren. Der Kö¶nig sandte mich mit Hoffnung, daöŸ ich hier den Beistand des Adels finden wö¼rde. Der Kö¶nig will seinen Willen. Der Kö¶nig hat nach tiefer öœberlegung gesehen, was dem Volke frommt; es kann nicht bleiben und gehen wie bisher. Des Kö¶nigs Absicht ist, sie selbst zu ihrem eignen Besten einzuschrö¤nken, ihr eigenes Heil, wenn's sein muöŸ, ihnen aufzudringen, die schö¤dlichen Bö¼rger aufzuopfern, damit die ö¼brigen Ruhe finden, des Glö¼cks einer weisen Regierung genieöŸen kö¶nnen. Dies ist sein EntschluöŸ; diesen dem Adel kundzumachen habe ich Befehl; und Rat verlang ich in seinem Namen, wie es zu tun sei, nicht was: denn das hat er beschlossen. Egmont. Leider rechtfertigen deine Worte die Furcht des Volkes, die allgemeine Furcht! So hat er denn beschlossen, was kein Fö¼rst beschlieöŸen sollte. Die Kraft seines Volks, ihr Gemö¼t, den Begriff, den sie von sich selbst haben, will er schwö¤chen, niederdrö¼cken, zerstö¶ren, um sie bequem regieren zu kö¶nnen. Er will den innern Kern ihrer Eigenheit verderben; gewiöŸ in der Absicht, sie glö¼cklicher zu machen. Er will sie vernichten, damit sie etwas werden, ein ander Etwas. O wenn seine Absicht gut ist, so wird sie miöŸgeleitet! Nicht dem Kö¶nige widersetzt man sich; man stellt sich nur dem Kö¶nige entgegen, der einen falschen Weg zu wandeln, die ersten unglö¼cklichen Schritte macht. Alba. Wie du gesinnt bist, scheint es ein vergeblicher Versuch, uns vereinigen zu wollen. Du denkst gering vom Kö¶nige und verö¤chtlich von seinen Rö¤ten, wenn du zweifelst, das alles sei nicht schon gedacht, geprö¼ft, gewogen worden. Ich habe keinen Auftrag, jedes Fö¼r und Wider noch einmal durchzugehen. Gehorsam fordre ich von dem Volke: - und von Euch, ihr Ersten, Edelsten, Rat und Tat, als Bö¼rgen dieser unbedingten Pflicht. Egmont. Fordre unsre Hö¤upter, so ist es auf einmal getan. Ob sich der Nacken diesem Joche biegen, ob er sich vor dem Beile ducken soll, kann einer edeln Seele gleich sein. Umsonst hab ich so viel gesprochen: die Luft hab ich erschö¼ttert, weiter nichts gewonnen. (Ferdinand kommt.) Ferdinand. Verzeiht, daöŸ ich Euer Gesprö¤ch unterbreche. Hier ist ein Brief, dessen öœberbringer die Antwort dringend macht. Alba. Erlaubt mir, daöŸ ich sehe, was er enthö¤lt. (Tritt an die Seite.) Ferdinand (zu Egmont). Es ist ein schö¶nes Pferd, das Eure Leute gebracht haben, Euch abzuholen. Egmont. Es ist nicht das schlimmste. Ich hab es schon eine Weile; ich denk es wegzugeben. Wenn es Euch gefö¤llt, so werden wir vielleicht des Handels einig. Ferdinand. Gut, wir wollen sehn. (Alba winkt seinem Sohne, der sich in den Grund zurö¼ckzieht.) Egmont. Lebt wohl! EntlaöŸt mich: denn ich wö¼öŸte, bei Gott! nicht mehr zu sagen. Alba. Glö¼cklich hat dich der Zufall verhindert, deinen Sinn noch weiter zu verraten. Unvorsichtig entwickelst du die Falten deines Herzens und klagst dich selbst weit strenger an, als ein Widersacher gehö¤ssig tun kö¶nnte. Egmont. Dieser Vorwurf rö¼hrt mich nicht; ich kenne mich selbst genug und weiöŸ, wie ich dem Kö¶nig angehö¶re; weit mehr als viele, die in seinem Dienst sich selber dienen. Ungern scheid ich aus diesem Streite, ohne ihn beigelegt zu sehen, und wö¼nsche nur, daöŸ uns der Dienst des Herrn, das Wohl des Landes bald vereinigen mö¶ge. Es wirkt vielleicht ein wiederholtes Gesprö¤ch, die Gegenwart der ö¼brigen Fö¼rsten, die heute fehlen, in einem glö¼cklichern Augenblick, was heut unmö¶glich scheint. Mit dieser Hoffnung entfern ich mich. Alba (der zugleich seinem Sohn Ferdinand ein Zeichen gibt). Halt, Egmont! - Deinen Degen! - (Die Mitteltö¼r ö¶ffnet sich: man sieht die Galerie mit Wache besetzt, die unbeweglich bleibt.) Egmont (der staunend eine Weile geschwiegen). Dies war die Absicht? Dazu hast du mich berufen? (Nach dem Degen greifend, als wenn er sich verteidigen wollte.) Bin ich denn wehrlos? Alba. Der Kö¶nig befiehlt's, du bist mein Gefangener. (Zugleich treten von beiden Seiten Gewaffnete herein.) Egmont (nach einer Stille). Der Kö¶nig? - Oranien! Oranien! (Nach einer Pause, seinen Degen hingebend.) So nimm ihn! Er hat weit ö¶fter des Kö¶nigs Sache verteidigt, als diese Brust beschö¼tzt. (Er geht durch die Mitteltö¼r ab: die Gewaffneten, die im Zimmer sind, folgen ihm; ingleichen Albas Sohn. Alba bleibt stehen. Der Vorhang fö¤llt.) Fö¼nfter Aufzug StraöŸe Dö¤mmerung Klö¤rchen. Brackenburg. Bö¼rger. Brackenburg. Liebchen, um Gottes willen, was nimmst du vor? Klö¤rchen. Komm mit, Brackenburg! Du muöŸt die Menschen nicht kennen; wir befreien ihn gewiöŸ. Denn was gleicht ihrer Liebe zu ihm? Jeder fö¼hlt, ich schwö¶r es, in sich die brennende Begier, ihn zu retten, die Gefahr von einem kostbaren Leben abzuwenden und dem Freiesten die Freiheit wiederzugeben. Komm! Es fehlt nur an der Stimme, die sie zusammenruft. In ihrer Seele lebt noch ganz frisch, was sie ihm schuldig sind! und daöŸ sein mö¤chtiger Arm allein von ihnen das Verderben abhö¤lt, wissen sie. Um seinet- und ihretwillen mö¼ssen sie alles wagen. Und was wagen wir? Zum hö¶chsten unser Leben, das zu erhalten nicht der Mö¼he wert ist, wenn er umkommt. Brackenburg. Unglö¼ckliche! du siehst nicht die Gewalt, die uns mit ehernen Banden gefesselt hat. Klö¤rchen. Sie scheint mir nicht unö¼berwindlich. LaöŸ uns nicht lang vergebliche Worte wechseln. Hier kommen von den alten, redlichen, wackern Mö¤nnern! Hö¶rt, Freunde! Nachbarn, hö¶rt! - Sagt, wie ist es mit Egmont? Zimmermeister. Was will das Kind? LaöŸ sie schweigen, Klö¤rchen. Tretet nö¤her, daöŸ wir sachte reden, bis wir einig sind und stö¤rker. Wir dö¼rfen nicht einen Augenblick versö¤umen! Die freche Tyrannei, die es wagt, ihn zu fesseln, zuckt schon den Dolch, ihn zu ermorden. O Freunde! mit jedem Schritt der Dö¤mmerung werd ich ö¤ngstlicher. Ich fö¼rchte diese Nacht! Kommt! wir wollen uns teilen; mit schnellem Lauf von Quartier zu Quartier rufen wir die Bö¼rger heraus. Ein jeder greife zu seinen alten Waffen. Auf dem Markte treffen wir uns wieder, und unser Strom reiöŸt einen jeden mit sich fort. Die Feinde sehen sich umringt und ö¼berschwemmt, und sind erdrö¼ckt. Was kann uns eine Handvoll Knechte widerstehen? Und er in unsrer Mitte kehrt zurö¼ck, sieht sich befreit und kann uns einmal danken, uns, die wir ihm so tief verschuldet worden. Er sieht vielleicht - gewiöŸ er sieht das Morgenrot am freien Himmel wieder. Zimmermeister. Wie ist dir, Mö¤dchen? Klö¤rchen. Kö¶nnt ihr mich miöŸverstehn? Vom Grafen sprech ich! Ich spreche von Egmont. Jetter. Nennt den Namen nicht! Er ist tö¶dlich. Klö¤rchen. Den Namen nicht! Wie? Nicht diesen Namen? Wer nennt ihn nicht bei jeder Gelegenheit? Wo steht er nicht geschrieben? In diesen Sternen hab ich oft mit allen seinen Lettern ihn gelesen. Nicht nennen? Was soll das? Freunde! Gute, teure Nachbarn, ihr trö¤umt; besinnt euch. Seht mich nicht so starr und ö¤ngstlich an! Blickt nicht schö¼chtern hie und da beiseite. Ich ruf euch ja nur zu, was jeder wö¼nscht. Ist meine Stimme nicht eures Herzens eigne Stimme? Wer wö¼rfe sich in dieser bangen Nacht, eh' er sein unruhvolles Bette besteigt, nicht auf die Knie, ihn mit ernstlichem Gebet vom Himmel zu erringen? Fragt euch einander! frage jeder sich selbst! und wer spricht mir nicht nach: á»Egmonts Freiheit oder den Tod!á« Jetter. Gott bewahr' uns! Da gibt's ein Unglö¼ck. Klö¤rchen. Bleibt! Bleibt, und drö¼ckt euch nicht vor seinem Namen weg, dem ihr euch sonst so froh entgegendrö¤ngtet! - Wenn der Ruf ihn ankö¼ndigte, wenn es hieöŸ: á»Egmont kommt! Er kommt von Gent!á« da hielten die Bewohner der StraöŸen sich glö¼cklich, durch die er reiten muöŸte. Und wenn ihr seine Pferde schallen hö¶rtet, warf jeder seine Arbeit hin, und ö¼ber die bekö¼mmerten Gesichter, die ihr durchs Fenster stecktet, fuhr wie ein Sonnenstrahl von seinem Angesichte ein Blick der Freude und Hoffnung. Da hobt ihr eure Kinder auf der Tö¼rschwelle in die Hö¶he und deutetet ihnen: á»Sieh, das ist Egmont, der Grö¶öŸte da! Er ist's! Er ist's, von dem ihr bessere Zeiten, als eure armen Vö¤ter lebten, einst zu erwarten habt.á« LaöŸt eure Kinder nicht dereinst euch fragen: á»Wo ist er hin? Wo sind die Zeiten hin, die ihr verspracht?á« - Und so wechseln wir Worte! sind mö¼öŸig, verraten ihn. Soest. Schö¤mt Euch, Brackenburg! LaöŸt sie nicht gewö¤hren! Steuert dem Unheil! Brackenburg. Liebes Klö¤rchen! wir wollen gehen! Was wird die Mutter sagen? Vielleicht - Klö¤rchen. Meinst du, ich sei ein Kind oder wahnsinnig? Was kann vielleicht? - Von dieser schrecklichen GewiöŸheit bringst du mich mit keiner Hoffnung weg. - Ihr sollt mich hö¶ren und ihr werdet: denn ich seh's, ihr seid bestö¼rzt und kö¶nnt euch selbst in euerm Busen nicht wiederfinden. LaöŸt durch die gegenwö¤rtige Gefahr nur einen Blick in das Vergangene dringen, das kurz Vergangene. Wendet eure Gedanken nach der Zukunft. Kö¶nnt ihr denn leben? werdet ihr, wenn er zugrunde geht? Mit seinem Atem flieht der letzte Hauch der Freiheit. Was war er euch? Fö¼r wen ö¼bergab er sich der dringendsten Gefahr? Seine Wunden flossen und heilten nur fö¼r euch. Die groöŸe Seele, die euch alle trug, beschrö¤nkt ein Kerker, und Schauer tö¼ckischen Mordes schweben um sie her. Er denkt vielleicht an euch, er hofft auf euch, er, der nur zu geben, nur zu erfö¼llen gewohnt war. Zimmermeister. Gevatter, kommt. Klö¤rchen. Und ich habe nicht Arme, nicht Mark wie ihr; doch hab ich, was euch allen eben fehlt, Mut und Verachtung der Gefahr. Kö¶nnt' euch mein Atem doch entzö¼nden! kö¶nnt' ich an meinen Busen drö¼ckend euch erwö¤rmen und beleben! Kommt! In eurer Mitte will ich gehen! - Wie eine Fahne wehrlos ein edles Heer von Kriegern wehend anfö¼hrt, so soll mein Geist um eure Hö¤upter flammen, und Liebe und Mut das schwankende zerstreute Volk zu einem fö¼rchterlichen Heer vereinigen. Jetter. Schaff sie beiseite, sie dauert mich. (Bö¼rger ab.) Brackenburg. Klö¤rchen! siehst du nicht, wo wir sind? Klö¤rchen. Wo? Unter dem Himmel, der so oft sich herrlicher zu wö¶lben schien, wenn der Edle unter ihm herging. Aus diesen Fenstern haben sie herausgesehn, vier, fö¼nf Kö¶pfe ö¼bereinander; an diesen Tö¼ren haben sie gescharrt und genickt, wenn er auf die Memmen herabsah. O ich hatte sie so lieb, wie sie ihn ehrten! Wö¤re er Tyrann gewesen, mö¶chten sie immer vor seinem Falle seitwö¤rts gehn. Aber sie liebten ihn! - O ihr Hö¤nde, die ihr an die Mö¼tzen grifft, zum Schwert kö¶nnt ihr nicht greifen - Brackenburg, und wir? - Schelten wir sie? - Diese Arme, die ihn so oft fest hielten, was tun sie fö¼r ihn? - List hat in der Welt so viel erreicht - Du kennst Wege und Stege, kennst das alte SchloöŸ. Es ist nichts unmö¶glich, gib mir einen Anschlag. Brackenburg. Wenn wir nach Hause gingen! Klö¤rchen. Gut. Brackenburg. Dort an der Ecke seh ich Albas Wache; laöŸ doch die Stimme der Vernunft dir zu Herzen dringen. Hö¤ltst du mich fö¼r feig? Glaubst du nicht, daöŸ ich um deinetwillen sterben kö¶nnte? Hier sind wir beide toll, ich so gut wie du. Siehst du nicht das Unmö¶gliche? Wenn du dich faöŸtest! Du bist auöŸer dir. Klö¤rchen. AuöŸer mir! Abscheulich! Brackenburg, ihr seid auöŸer euch. Da ihr laut den Helden verehrtet, ihn Freund und Schutz und Hoffnung nanntet, ihm Vivat rieft, wenn er kam: da stand ich in meinem Winkel, schob das Fenster halb auf, verbarg mich lauschend, und das Herz schlug mir hö¶her als euch allen. Jetzt schlö¤gt mir's wieder hö¶her als euch allen! Ihr verbergt euch, da es not ist, verleugnet ihn und fö¼hlt nicht, daöŸ ihr untergeht, wenn er verdirbt. Brackenburg. Komm nach Hause. Klö¤rchen. Nach Hause? Brackenburg. Besinne dich nur! Sieh dich um! Dies sind die StraöŸen, die du nur sonntö¤glich betratst, durch die du sittsam nach der Kirche gingst, wo du ö¼bertrieben ehrbar zö¼rntest, wenn ich mit einem freundlichen grö¼öŸenden Wort mich zu dir gesellte. Du stehst und redest, handelst vor den Augen der offnen Welt; besinne dich, Liebe! wozu hilft es uns? Klö¤rchen. Nach Hause! Ja, ich besinne mich. Komm, Brackenburg, nach Hause! WeiöŸt du, wo meine Heimat ist? (Ab.) Gefö¤ngnis, durch eine Lampe erhellt, ein Ruhebett im Grunde Egmont (allein). Alter Freund! immer getreuer Schlaf, fliehst du mich auch wie die ö¼brigen Freunde? Wie willig senktest du dich auf mein freies Haupt herunter und kö¼hltest wie ein schö¶ner Myrtenkranz der Liebe meine Schlö¤fe! Mitten unter Waffen, auf der Woge des Lebens, ruht' ich leicht atmend, wie ein aufquellender Knabe, in deinen Armen. Wenn Stö¼rme durch Zweige und Blö¤tter sausten, Ast und Wipfel sich knirrend bewegten, blieb innerst doch der Kern des Herzens ungeregt. Was schö¼ttelt dich nun? was erschö¼ttert den festen treuen Sinn? Ich fö¼hl's, es ist der Klang der Mordaxt, die an meiner Wurzel nascht. Noch steh ich aufrecht, und ein innrer Schauer durchfö¤hrt mich. Ja, sie ö¼berwindet, die verrö¤terische Gewalt; sie untergrö¤bt den festen hohen Stamm, und eh' die Rinde dorrt, stö¼rzt krachend und zerschmetternd deine Krone. Warum denn jetzt, der du so oft gewalt'ge Sorgen gleich Seifenblasen dir vom Haupte weggewiesen, warum vermagst du nicht die Ahnung zu verscheuchen, die tausendfach in dir sich auf- und niedertreibt? Seit wann begegnet der Tod dir fö¼rchterlich, mit dessen wechselnden Bildern, wie mit den ö¼brigen Gestalten der gewohnten Erde, du gelassen lebtest? - Auch ist er's nicht, der rasche Feind, dem die gesunde Brust wetteifernd sich entgegensehnt; der Kerker ist's, des Grabes Vorbild, dem Helden wie dem Feigen widerlich. Unleidlich ward mir's schon auf meinem gepolsterten Stuhle, wenn in stattlicher Versammlung die Fö¼rsten, was leicht zu entscheiden war, mit wiederkehrenden Gesprö¤chen ö¼berlegten, und zwischen dö¼stern Wö¤nden eines Saals die Balken der Decke mich erdrö¼ckten. Da eilt' ich fort, sobald es mö¶glich war, und rasch aufs Pferd mit tiefem Atemzuge. Und frisch hinaus, da wo wir hingehö¶ren! ins Feld, wo aus der Erde dampfend jede nö¤chste Wohltat der Natur und durch die Himmel wehend alle Segen der Gestirne uns umwittern; wo wir, dem erdgebornen Riesen gleich, von der Berö¼hrung unsrer Mutter krö¤ftiger uns in die Hö¶he reiöŸen; wo wir die Menschheit ganz und menschliche Begier in allen Adern fö¼hlen; wo das Verlangen, vorzudringen, zu besiegen, zu erhaschen, seine Faust zu brauchen, zu besitzen, zu erobern, durch die Seele des jungen Jö¤gers glö¼ht; wo der Soldat sein angebornes Recht auf alle Welt mit raschem Schritt sich anmaöŸt und in fö¼rchterlicher Freiheit wie ein Hagelwetter durch Wiese, Feld und Wald verderbend streicht und keine Grenzen kennt, die Menschenhand gezogen. Du bist nur Bild, Erinnerungstraum des Glö¼cks, das ich so lang besessen; wo hat dich das Geschick verrö¤terisch hingefö¼hrt? Versagt es dir, den nie gescheuten Tod im Angesicht der Sonne rasch zu gö¶nnen, um dir des Grabes Vorgeschmack im ekeln Moder zu bereiten? Wie haucht er mich aus diesen Steinen widrig an! Schon starrt das Leben, vor dem Ruhebette wie vor dem Grabe scheut der FuöŸ. - O Sorge! Sorge! die du vor der Zeit den Mord beginnst, laöŸ ab! - Seit wann ist Egmont denn allein, so ganz allein in dieser Welt? Dich macht der Zweifel hö¼lflos, nicht das Glö¼ck. Ist die Gerechtigkeit des Kö¶nigs, der du lebenslang vertrautest, ist der Regentin Freundschaft, die fast (du darfst es dir gestehn), fast Liebe war, sind sie auf einmal, wie ein glö¤nzend Feuerbild der Nacht, verschwunden? und lassen dich allein auf dunkelm Pfad zurö¼ck? Wird an der Spitze deiner Freunde Oranien nicht wagend sinnen? Wird nicht ein Volk sich sammeln und mit anschwellender Gewalt den alten Freund erretten? O haltet, Mauern, die ihr mich einschlieöŸt, so vieler Geister wohlgemeintes Drö¤ngen nicht von mir ab; und welcher Mut aus meinen Augen sonst sich ö¼ber sie ergoöŸ, der kehre nun aus ihren Herzen in meines wieder. O ja, sie rö¼hren sich zu Tausenden! sie kommen! stehen mir zur Seite! Ihr frommer Wunsch eilt dringend zu dem Himmel, er bittet um ein Wunder. Und steigt zu meiner Rettung nicht ein Engel nieder, so seh ich sie nach Lanz und Schwertern greifen. Die Tore spalten sich, die Gitter springen, die Mauer stö¼rzt von ihren Hö¤nden ein, und der Freiheit des einbrechenden Tages steigt Egmont frö¶hlich entgegen. Wie manch bekannt Gesicht empfö¤ngt mich jauchzend! Ach Klö¤rchen, wö¤rst du Mann; so sö¤h' ich dich gewiöŸ auch hier zuerst und dankte dir, was einem Kö¶nige zu danken hart ist, Freiheit. Klö¤rchens Haus Klö¤rchen (kommt mit einer Lampe und einem Glas Wasser aus der Kammer; sie setzt das Glas auf den Tisch und tritt ans Fenster). Brackenburg? Seid Ihr's? Was hö¶rt' ich denn? noch niemand? Es war niemand! Ich will die Lampe ins Fenster setzen, daöŸ er sieht, ich wache noch, ich warte noch auf ihn. Er hat mir Nachricht versprochen. Nachricht? Entsetzliche GewiöŸheit! - Egmont verurteilt! - Welch Gericht darf ihn fordern? und sie verdammen ihn! Der Kö¶nig verdammt ihn? oder der Herzog? Und die Regentin entzieht sich! Oranien zaudert, und alle seine Freunde! - - Ist dies die Welt, von deren Wankelmut, Unzuverlö¤ssigkeit ich viel gehö¶rt und nichts empfunden habe? Ist dies die Welt? - Wer wö¤re bö¶s genug, den Teuern anzufeinden? Wö¤re Bosheit mö¤chtig genug, den allgemein Erkannten schnell zu stö¼rzen? Doch ist es so - es ist - O Egmont, sicher hielt ich dich vor Gott und Menschen, wie in meinen Armen! Was war ich dir? Du hast mich dein genannt, mein ganzes Leben widmete ich deinem Leben. - Was bin ich nun? Vergebens streck ich nach der Schlinge, die dich faöŸt, die Hand aus. Du hö¼lflos und ich frei! - Hier ist der Schlö¼ssel zu meiner Tö¼r. An meiner Willkö¼r hö¤ngt mein Gehen und mein Kommen, und dir bin ich zu nichts! - - O bindet mich, damit ich nicht verzweifle; und werft mich in den tiefsten Kerker, daöŸ ich das Haupt an feuchte Mauern schlage, nach Freiheit winsle, trö¤ume, wie ich ihm helfen wollte, wenn Fesseln mich nicht lö¤hmten, wie ich ihm helfen wö¼rde. - Nun bin ich frei, und in der Freiheit liegt die Angst der Ohnmacht. - Mir selbst bewuöŸt, nicht fö¤hig, ein Glied nach seiner Hö¼lfe zu rö¼hren. Ach leider, auch der kleine Teil von deinem Wesen, dein Klö¤rchen, ist wie du gefangen und regt getrennt im Todeskrampfe nur die letzten Krö¤fte. - Ich hö¶re schleichen, husten - Brackenburg - er ist's! - Elender guter Mann, dein Schicksal bleibt sich immer gleich; dein Liebchen ö¶ffnet dir die nö¤chtliche Tö¼r, und ach zu welch unseliger Zusammenkunft! (Brackenburg tritt auf.) Klö¤rchen. Du kommst so bleich und schö¼chtern, Brackenburg! was ist's? Brackenburg. Durch Umwege und Gefahren such ich dich auf. Die groöŸen StraöŸen sind besetzt; durch Gö¤öŸchen und durch Winkel hab ich mich zu dir gestohlen. Klö¤rchen. Erzö¤hl, wie ist's? Brackenburg (indem er sich setzt). Ach Klö¤re, laöŸ mich weinen. Ich liebt' ihn nicht. Er war der reiche Mann und lockte des Armen einziges Schaf zur bessern Weide herö¼ber. Ich hab ihn nie verflucht; Gott hat mich treu geschaffen und weich. In Schmerzen floöŸ mein Leben vor mir nieder, und zu verschmachten hofft' ich jeden Tag. Klö¤rchen. VergiöŸ das, Brackenburg! VergiöŸ dich selbst. Sprich mir von ihm! Ist's wahr? Ist er verurteilt? Brackenburg. Er ist's! ich weiöŸ es ganz genau. Klö¤rchen. Und lebt noch? Brackenburg. Ja, er lebt noch. Klö¤rchen. Wie willst du das versichern? - Die Tyrannei ermordet in der Nacht den Herrlichen! vor allen Augen verborgen flieöŸt sein Blut. ö„ngstlich im Schlafe liegt das betö¤ubte Volk und trö¤umt von Rettung, trö¤umt ihres ohnmö¤chtigen Wunsches Erfö¼llung; indes unwillig ö¼ber uns sein Geist die Welt verlö¤öŸt. Er ist dahin! - Tö¤usche mich nicht! dich nicht! Brackenburg. Nein gewiöŸ, er lebt! - Und leider, es bereitet der Spanier dem Volke, das er zertreten will, ein fö¼rchterliches Schauspiel, gewaltsam jedes Herz, das nach der Freiheit sich regt, auf ewig zu zerknirschen. Klö¤rchen. Fahre fort und sprich gelassen auch mein Todesurteil aus! Ich wandle den seligen Gefilden schon nö¤her und nö¤her, mir weht der Trost aus jenen Gegenden des Friedens schon herö¼ber. Sag an. Brackenburg. Ich konnt' es an den Wachen merken, aus Reden, die bald da bald dorten fielen, daöŸ auf dem Markte geheimnisvoll ein Schrecknis zubereitet werde. Ich schlich durch Seitenwege, durch bekannte Gö¤nge nach meines Vettern Hause und sah aus einem Hinterfenster nach dem Markte. - Es wehten Fackeln in einem weiten Kreise spanischer Soldaten hin und wider. Ich schö¤rfte mein ungewohntes Auge, und aus der Nacht stieg mir ein schwarzes Gerö¼st entgegen, gerö¤umig hoch; mir grauste vor dem Anblick. Geschö¤ftig waren viele rings umher bemö¼ht, was noch von Holzwerk weiöŸ und sichtbar war, mit schwarzem Tuch einhö¼llend zu verkleiden. Die Treppen deckten sie zuletzt auch schwarz, ich sah es wohl. Sie schienen die Weihe eines grö¤öŸlichen Opfers vorbereitend zu begehn. Ein weiöŸes Kruzifix, das durch die Nacht wie Silber blinkte, ward an der einen Seite hoch aufgesteckt. Ich sah, und sah die schreckliche GewiöŸheit immer gewisser. Noch wankten Fackeln hie und da herum; allmö¤hlich wichen sie und erloschen. Auf einmal war die scheuöŸliche Geburt der Nacht in ihrer Mutter SchoöŸ zurö¼ckgekehrt. Klö¤rchen. Still, Brackenburg! Nun still! LaöŸ diese Hö¼lle auf meiner Seele ruhn. Verschwunden sind die Gespenster, und du, holde Nacht, leih deinen Mantel der Erde, die in sich gö¤rt; sie trö¤gt nicht lö¤nger die abscheuliche Last, reiöŸt ihre tiefen Spalten grausend auf und knirscht das Mordgerö¼st hinunter. Und irgendeinen Engel sendet der Gott, den sie zum Zeugen ihrer Wut geschö¤ndet; vor des Boten heiliger Berö¼hrung lö¶sen sich Riegel und Bande, und er umgieöŸt den Freund mit mildem Schimmer; er fö¼hrt ihn durch die Nacht zur Freiheit sanft und still. Und auch mein Weg geht heimlich in dieser Dunkelheit, ihm zu begegnen. Brackenburg (sie aufhaltend). Mein Kind, wohin? was wagst du? Klö¤rchen. Leise, Lieber, daöŸ niemand erwache! daöŸ wir uns selbst nicht wecken! Kennst du dies Flö¤schchen, Brackenburg? Ich nahm dir's scherzend, als du mit ö¼bereiltem Tod oft ungeduldig drohtest. - Und nun, mein Freund - Brackenburg. In aller Heiligen Namen! - Klö¤rchen. Du hinderst nichts. Tod ist mein Teil! und gö¶nne mir den sanften schnellen Tod, den du dir selbst bereitetest. Gib mir deine Hand! - Im Augenblick, da ich die dunkle Pforte erö¶ffne, aus der kein Rö¼ckweg ist, kö¶nnt' ich mit diesem Hö¤ndedruck dir sagen, wie sehr ich dich geliebt, wie sehr ich dich bejammert. Mein Bruder starb mir jung; dich wö¤hlt' ich, seine Stelle zu ersetzen. Es widersprach dein Herz und quö¤lte sich und mich, verlangtest heiöŸ und immer heiöŸer, was dir nicht beschieden war. Vergib mir und leb wohl! LaöŸ mich dich Bruder nennen! Es ist ein Name, der viel Namen in sich faöŸt. Nimm die letzte schö¶ne Blume der Scheidenden mit treuem Herzen ab - nimm diesen KuöŸ - Der Tod vereinigt alles, Brackenburg, uns denn auch. Brackenburg. So laöŸ mich mit dir sterben! Teile! Teile! Es ist genug, zwei Leben auszulö¶schen. Klö¤rchen. Bleib! du sollst leben, du kannst leben. - Steh meiner Mutter bei, die ohne dich in Armut sich verzehren wö¼rde. Sei ihr, was ich ihr nicht mehr sein kann; lebt zusammen und beweint mich. Beweint das Vaterland und den, der es allein erhalten konnte. Das heutige Geschlecht wird diesen Jammer nicht los; die Wut der Rache selbst vermag ihn nicht zu tilgen. Lebt, ihr Armen, die Zeit noch hin, die keine Zeit mehr ist. Heut steht die Welt auf einmal still; es stockt ihr Kreislauf, und mein Puls schlö¤gt kaum noch wenige Minuten. Leb wohl! Brackenburg. O lebe du mit uns, wie wir fö¼r dich allein! Du tö¶test uns in dir, o leb und leide. Wir wollen unzertrennlich dir zu beiden Seiten stehn, und immer achtsam soll die Liebe den schö¶nsten Trost in ihren lebendigen Armen dir bereiten. Sei unser! Unser! Ich darf nicht sagen: mein. Klö¤rchen. Leise, Brackenburg! Du fö¼hlst nicht, was du rö¼hrst. Wo Hoffnung dir erscheint, ist mir Verzweiflung. Brackenburg. Teile mit den Lebendigen die Hoffnung! Verweil am Rande des Abgrundes, schau hinab und sieh auf uns zurö¼ck. Klö¤rchen. Ich hab ö¼berwunden, ruf mich nicht wieder zum Streit. Brackenburg. Du bist betö¤ubt; gehö¼llt in Nacht suchst du die Tiefe. Noch ist nicht jedes Licht erloschen, noch mancher Tag! - Klö¤rchen. Weh! ö¼ber dich Weh! Weh! Grausam zerreiöŸest du den Vorhang vor meinem Auge. Ja, er wird grauen, der Tag! vergebens alle Nebel um sich ziehn und wider Willen grauen! Furchtsam schaut der Bö¼rger aus seinem Fenster, die Nacht lö¤öŸt einen schwarzen Flecken zurö¼ck; er schaut, und fö¼rchterlich wö¤chst im Lichte das Mordgerö¼st. Neu leidend wendet das entweihte Gottesbild sein flehend Auge zum Vater auf. Die Sonne wagt sich nicht hervor; sie will die Stunde nicht bezeichnen, in der er sterben soll. Trö¤ge gehn die Zeiger ihren Weg, und eine Stunde nach der andern schlö¤gt. Halt! Halt! Nun ist es Zeit! mich scheucht des Morgens Ahnung in das Grab. (Sie tritt ans Fenster, als sö¤he sie sich um, und trinkt heimlich.) Brackenburg. Klö¤re! Klö¤re! Klö¤rchen (geht nach dem Tisch und trinkt das Wasser). Hier ist der Rest! Ich locke dich nicht nach. Tu, was du darfst, leb wohl. Lö¶sche diese Lampe still und ohne Zaudern, ich geh zur Ruhe. Schleiche dich sachte weg, ziehe die Tö¼r nach dir zu. Still! Wecke meine Mutter nicht! Geh, rette dich! Rette dich! wenn du nicht mein Mö¶rder scheinen willst. (Ab.) Brackenburg. Sie lö¤öŸt mich zum letztenmale wie immer. O kö¶nnte eine Menschenseele fö¼hlen, wie sie ein liebend Herz zerreiöŸen kann. Sie lö¤öŸt mich stehn, mir selber ö¼berlassen; und Tod und Leben ist mir gleich verhaöŸt. - Allein zu sterben! - Weint, ihr Liebenden! Kein hö¤rter Schicksal ist als meins! Sie teilt mit mir den Todestropfen und schickt mich weg! von ihrer Seite weg! sie zieht mich nach und stö¶öŸt ins Leben mich zurö¼ck. O Egmont, welch preiswö¼rdig Los fö¤llt dir! Sie geht voran; der Kranz des Siegs aus ihrer Hand ist dein, sie bringt den ganzen Himmel dir entgegen! - Und soll ich folgen? wieder seitwö¤rts stehn? den unauslö¶schlichen Neid in jene Wohnungen hinö¼bertragen? - Auf Erden ist kein Bleiben mehr fö¼r mich, und Hö¶ll und Himmel bieten gleiche Qual. Wie wö¤re der Vernichtung Schreckenshand dem Unglö¼ckseligen will kommen! (Brackenburg geht ab; das Theater bleibt einige Zeit unverö¤ndert. Eine Musik, Klö¤rchens Tod bezeichnend, beginnt; die Lampe, welche Brackenburg auszulö¶schen vergessen, flammt noch einigemal auf, dann erlischt sie. Bald verwandelt sich der Schauplatz in das Gefö¤ngnis Egmont liegt schlafend auf dem Ruhebette. Es entsteht ein Gerassel mit Schlö¼sseln, und die Tö¼r tut sich auf. Diener mit Fackeln treten herein; ihnen folgt Ferdinand, Albas Sohn, und Silva, begleitet von Gewaffneten. Egmont fö¤hrt aus dem Schlaf auf.) Egmont. Wer seid ihr? die ihr mir unfreundlich den Schlaf von den Augen schö¼ttelt. Was kö¼nden eure trotzigen, unsichern Blicke mir an? Warum diesen fö¼rchterlichen Aufzug? Welchen Schreckenstraum kommt ihr der halb erwachten Seele vorzulö¼gen? Silva. Uns schickt der Herzog, dir dein Urteil anzukö¼ndigen. Egmont. Bringst du den Henker auch mit, es zu vollziehen? Silva. Vernimm es, so wirst du wissen, was deiner wartet. Egmont. So ziemt es euch und euerm schö¤ndlichen Beginnen! In Nacht gebrö¼tet und in Nacht vollfö¼hrt. So mag diese freche Tat der Ungerechtigkeit sich verbergen! - Tritt kö¼hn hervor, der du das Schwert verhö¼llt unter dem Mantel trö¤gst; hier ist mein Haupt, das freieste, das je die Tyrannei vom Rumpf gerissen. Silva. Du irrst! Was gerechte Richter beschlieöŸen, werden sie vorm Angesicht des Tages nicht verbergen. Egmont. So ö¼bersteigt die Frechheit jeden Begriff und Gedanken. Silva (nimmt einem Dabeistehenden das Urteil ab, entfaltet's und liest's). á»Im Namen des Kö¶nigs, und kraft besonderer von Seiner Majestö¤t uns ö¼bertragenen Gewalt, alle seine Untertanen, wes Standes sie seien, zugleich die Ritter des Goldnen Vlieses zu richten, erkennen wirá« - Egmont. Kann die der Kö¶nig ö¼bertragen? Silva. á»Erkennen wir, nach vorgö¤ngiger genauer, gesetzlicher Untersuchung, dich Heinrich Grafen Egmont, Prinzen von Gaure, des Hochverrats schuldig und sprechen das Urteil: daöŸ du mit der Frö¼he des einbrechenden Morgens aus dem Kerker auf den Markt gefö¼hrt und dort, vorm Angesicht des Volks, zur Warnung aller Verrö¤ter mit dem Schwerte vom Leben zum Tode gebracht werden sollest. Gegeben Brö¼ssel imá« (Datum und Jahrzahl werden undeutlich gelesen, so, daöŸ sie der Zuhö¶rer nicht versteht.) á»Ferdinand, Herzog von Alba, Vorsitzer des Gerichts der Zwö¶lfe.á« Du weiöŸt nun dein Schicksal; es bleibt dir wenige Zeit, dich drein zu ergeben, dein Haus zu bestellen und von den Deinigen Abschied zu nehmen. (Silva mit dem Gefolge geht ab. Es bleibt Ferdinand und zwei Fackeln; das Theater ist mö¤öŸig erleuchtet.) Egmont (hat eine Weile in sich versenkt stille gestanden und Silva, ohne sich umzusehn, abgehen lassen. Er glaubt sich allein, und da er die Augen aufhebt, erblickt er Albas Sohn). Du stehst und bleibst? Willst du mein Erstaunen, mein Entsetzen noch durch deine Gegenwart vermehren? Willst du noch etwa die willkommne Botschaft deinem Vater bringen, daöŸ ich unmö¤nnlich verzweifle? Geh! Sag ihm! Sag ihm, daöŸ er weder mich noch die Welt belö¼gt. Ihm, dem Ruhmsö¼chtigen, wird man es erst hinter den Schultern leise lispeln, dann laut und lauter sagen, und wenn er einst von diesem Gipfel herabsteigt, werden tausend Stimmen es ihm entgegenrufen! Nicht das Wohl des Staats, nicht die Wö¼rde des Kö¶nigs, nicht die Ruhe der Provinzen haben ihn hierher gebracht. Um sein selbst willen hat er Krieg geraten, daöŸ der Krieger im Kriege gelte. Er hat diese ungeheure Verwirrung erregt, damit man seiner bedö¼rfe. Und ich falle, ein Opfer seines niedrigen Hasses, seines kleinlichen Neides. Ja, ich weiöŸ es, und ich darf es sagen; der Sterbende, der tö¶dlich Verwundete kann es sagen: mich hat der Eingebildete beneidet; mich wegzutilgen hat er lange gesonnen und gedacht. Schon damals, als wir noch jö¼nger mit Wö¼rfeln spielten und die Haufen Goldes, einer nach dem andern, von seiner Seite zu mir herö¼bereilten, da stand er grimmig, log Gelassenheit, und innerlich verzehrte ihn die ö„rgernis, mehr ö¼ber mein Glö¼ck als ö¼ber seinen Verlust. Noch erinnere ich mich des funkelnden Blicks, der verrö¤terischen Blö¤sse, als wir an einem ö¶ffentlichen Feste vor vielen tausend Menschen um die Wette schossen. Er forderte mich auf, und beide Nationen standen; die Spanier, die Niederlö¤nder wetteten und wö¼nschten. Ich ö¼berwand ihn; seine Kugel irrte, die meine traf; ein lauter Freudenschrei der Meinigen durchbrach die Luft. Nun trifft mich sein GeschoöŸ. Sag ihm, daöŸ ich's weiöŸ, daöŸ ich ihn kenne, daöŸ die Welt jede Siegszeichen verachtet, die ein kleiner Geist erschleichend sich aufrichtet. Und du! wenn einem Sohne mö¶glich ist, von der Sitte des Vaters zu weichen, ö¼be beizeiten die Scham, indem du dich fö¼r den schö¤mst, den du gerne von ganzem Herzen verehren mö¶chtest. Ferdinand. Ich hö¶re dich an, ohne dich zu unterbrechen! Deine Vorwö¼rfe lasten wie Keulschlö¤ge auf einem Helm; ich fö¼hle die Erschö¼tterung, aber ich bin bewaffnet. Du triffst mich, du verwundest mich nicht; fö¼hlbar ist mir allein der Schmerz, der mir den Busen zerreiöŸt. Wehe mir! Wehe! Zu einem solchen Anblick bin ich aufgewachsen, zu einem solchen Schauspiele bin ich gesendet! Egmont. Du brichst in Klagen aus? Was rö¼hrt, was bekö¼mmert dich? Ist es eine spö¤te Reue, daöŸ du der schö¤ndlichen Verschwö¶rung deinen Dienst geliehen? Du bist so jung und hast ein glö¼ckliches Ansehn. Du warst so zutraulich, so freundlich gegen mich. Solang ich dich sah, war ich mit deinem Vater versö¶hnt. Und ebenso verstellt, verstellter als er, lockst du mich in das Netz. Du bist der Abscheuliche! Wer ihm traut, mag er es auf seine Gefahr tun; aber wer fö¼rchtete Gefahr, dir zu vertrauen? Geh! Geh! Raube mir nicht die wenigen Augenblicke! Geh, daöŸ ich mich sammle, die Welt und dich zuerst vergesse! - Ferdinand. Was soll ich dir sagen? Ich stehe und sehe dich an, und sehe dich nicht, und fö¼hle mich nicht. Soll ich mich entschuldigen? Soll ich dir versichern, daöŸ ich erst spö¤t, erst ganz zuletzt des Vaters Absichten erfuhr, daöŸ ich als ein gezwungenes, ein lebloses Werkzeug seines Willens handelte? Was fruchtet's, welche Meinung du von mir haben magst? Du bist verloren; und ich Unglö¼cklicher stehe nur da, um dir's zu versichern, um dich zu bejammern. Egmont. Welche sonderbare Stimme, welch ein unerwarteter Trost begegnet mir auf dem Wege zum Grabe? Du, Sohn meines ersten, meines fast einzigen Feindes, du bedauerst mich, du bist nicht unter meinen Mö¶rdern? Sage, rede! Fö¼r wen soll ich dich halten? Ferdinand. Grausamer Vater! Ja ich erkenne dich in diesem Befehle. Du kanntest mein Herz, meine Gesinnung, die du so oft als Erbteil einer zö¤rtlichen Mutter schaltest. Mich dir gleich zu bilden, sandtest du mich hierher. Diesen Mann am Rande des gö¤hnenden Grabes, in der Gewalt eines willkö¼rlichen Todes zu sehen, zwingst du mich, daöŸ ich den tiefsten Schmerz empfinde, daöŸ ich taub gegen alles Schicksal, daöŸ ich unempfindlich werde, es geschehe mir, was wolle. Egmont. Ich erstaune! Fasse dich! Stehe, rede wie ein Mann. Ferdinand. O daöŸ ich ein Weib wö¤re! daöŸ man mir sagen kö¶nnte: was rö¼hrt dich? was ficht dich an? Sage mir ein grö¶öŸeres, ein ungeheureres öœbel, mache mich zum Zeugen einer schrecklichern Tat; ich will dir danken, ich will sagen: es war nichts. Egmont. Du verlierst dich. Wo bist du? Ferdinand. LaöŸ diese Leidenschaft rasen, laöŸ mich losgebunden klagen! Ich will nicht standhaft scheinen, wenn alles in mir zusammenbricht. Dich soll ich hier sehn? - Dich? - Es ist entsetzlich! Du verstehst mich nicht! Und sollst du mich verstehen? Egmont! Egmont! (Ihm um den Hals fallend.) Egmont. Lö¶se mir das Geheimnis. Ferdinand. Kein Geheimnis. Egmont. Wie bewegt dich so tief das Schicksal eines fremden Mannes? Ferdinand. Nicht fremd! Du bist mir nicht fremd. Dein Name war's, der mir in meiner ersten Jugend gleich einem Stern des Himmels entgegenleuchtete. Wie oft hab ich nach dir gehorcht, gefragt! Des Kindes Hoffnung ist der Jö¼ngling, des Jö¼nglings der Mann. So bist du vor mir her geschritten; immer vor, und ohne Neid sah ich dich vor, und schritt dir nach, und fort und fort. Nun hofft' ich endlich dich zu sehen, und sah dich, und mein Herz flog dir entgegen. Dich hatt' ich mir bestimmt, und wö¤hlte dich aufs neue, da ich dich sah. Nun hofft' ich erst, mit dir zu sein, mit dir zu leben, dich zu fassen, dich - Das ist nun alles weggeschnitten, und ich sehe dich hier! Egmont. Mein Freund, wenn es dir wohltun kann, so nimm die Versicherung, daöŸ im ersten Augenblick mein Gemö¼t dir entgegenkam. Und hö¶re mich. LaöŸ uns ein ruhiges Wort untereinander wechseln. Sage mir: ist es der strenge, ernste Wille deines Vaters, mich zu tö¶ten? Ferdinand. Er ist's. Egmont. Dieses Urteil wö¤re nicht ein leeres Schreckbild mich zu ö¤ngstigen, durch Furcht und Drohung zu strafen: mich zu erniedrigen und dann mit kö¶niglicher Gnade mich wieder aufzuheben? Ferdinand. Nein, ach leider nein! Anfangs schmeichelte ich mir selbst mit dieser ausweichenden Hoffnung; und schon da empfand ich Angst und Schmerz, dich in diesem Zustande zu sehen. Nun ist es wirklich, ist gewiöŸ. Nein, ich regiere mich nicht. Wer gibt mir eine Hö¼lfe, wer einen Rat, dem Unvermeidlichen zu entgehen? Egmont. So hö¶re mich. Wenn deine Seele so gewaltsam dringt, mich zu retten, wenn du die öœbermacht verabscheust, die mich gefesselt hö¤lt, so rette mich! Die Augenblicke sind kostbar. Du bist des Allgewaltigen Sohn und selbst gewaltig - LaöŸ uns entfliehen! Ich kenne die Wege; die Mittel kö¶nnen dir nicht unbekannt sein. Nur diese Mauern, nur wenige Meilen entfernen mich von meinen Freunden. Lö¶se diese Bande, bringe mich zu ihnen und sei unser. GewiöŸ, der Kö¶nig dankt dir dereinst meine Rettung. Jetzt ist er ö¼berrascht, und vielleicht ist ihm alles unbekannt. Dein Vater wagt; und die Majestö¤t muöŸ das Geschehene billigen, wenn sie sich auch davor entsetzet. Du denkst? O denke mir den Weg der Freiheit aus! Sprich, und nö¤hre die Hoffnung der lebendigen Seele. Ferdinand. Schweig! o schweige! Du vermehrst mit jedem Worte meine Verzweiflung. Hier ist kein Ausweg, kein Rat, keine Flucht. - Das quö¤lt mich, das greift und faöŸt mir wie mit Klauen die Brust. Ich habe selbst das Netz zusammengezogen; ich kenne die strengen festen Knoten; ich weiöŸ, wie jeder Kö¼hnheit, jeder List die Wege verrennt sind; ich fö¼hle mich mit dir und mit allen andern gefesselt. Wö¼rde ich klagen, hö¤tte ich nicht alles versucht? Zu seinen Fö¼öŸen habe ich gelegen, geredet und gebeten. Er schickte mich hierher, um alles, was von Lebenslust und Freude mit mir lebt, in diesem Augenblicke zu zerstö¶ren. Egmont. Und keine Rettung? Ferdinand. Keine! Egmont (mit dem FuöŸe stampfend). Keine Rettung! - - Sö¼öŸes Leben! schö¶ne freundliche Gewohnheit des Daseins und Wirkens! von dir soll ich scheiden! So gelassen scheiden! Nicht im Tumulte der Schlacht, unter dem Gerö¤usch der Waffen, in der Zerstreuung des Getö¼mmels gibst du mir ein flö¼chtiges Lebewohl; du nimmst keinen eiligen Abschied, verkö¼rzest nicht den Augenblick der Trennung. Ich soll deine Hand fassen, dir noch einmal in die Augen sehn, deine Schö¶ne, deinen Wert recht lebhaft fö¼hlen und dann mich entschlossen losreiöŸen und sagen: Fahre hin! Ferdinand Und ich soll daneben stehn, zusehn, dich nicht halten, nicht hindern kö¶nnen! O welche Stimme reichte zur Klage! Welches Herz flö¶sse nicht aus seinen Banden vor diesem Jammer? Egmont. Fasse dich! Ferdinand. Du kannst dich fassen, du kannst entsagen, den schweren Schritt an der Hand der Notwendigkeit heldenmö¤öŸig gehn. Was kann ich? Was soll ich? Du ö¼berwindest dich selbst und uns; du ö¼berstehst; ich ö¼berlebe dich und mich selbst. Bei der Freude des Mahls hab ich mein Licht, im Getö¼mmel der Schlacht meine Fahne verloren. Schal, verworren, trö¼b scheint mir die Zukunft. Egmont. Junger Freund, den ich durch ein sonderbares Schicksal zugleich gewinne und verliere, der fö¼r mich die Todesschmerzen empfindet, fö¼r mich leidet, sieh mich in diesen Augenblicken an; du verlierst mich nicht. War dir mein Leben ein Spiegel, in welchem du dich gerne betrachtetest: so sei es auch mein Tod. Die Menschen sind nicht nur zusammen, wenn sie beisammen sind; auch der Entfernte, der Abgeschiedene lebt uns. Ich lebe dir, und habe mir genug gelebt. Eines jeden Tages hab ich mich gefreut; an jedem Tage mit rascher Wirkung meine Pflicht getan, wie mein Gewissen mir sie zeigte. Nun endigt sich das Leben, wie es sich frö¼her, frö¼her, schon auf dem Sande von Gravelingen hö¤tte endigen kö¶nnen. Ich hö¶re auf zu leben; aber ich habe gelebt. So leb auch du, mein Freund, gern und mit Lust, und scheue den Tod nicht. Ferdinand. Du hö¤ttest dich fö¼r uns erhalten kö¶nnen, erhalten sollen. Du hast dich selber getö¶tet. Oft hö¶rt' ich, wenn kluge Mö¤nner ö¼ber dich sprachen, feindselige, wohlwollende, sie stritten lang ö¼ber deinen Wert; doch endlich vereinigten sie sich, keiner wagt' es zu leugnen, jeder gestand: ja, er wandelt einen gefö¤hrlichen Weg. Wie oft wö¼nscht' ich, dich warnen zu kö¶nnen! Hattest du denn keine Freunde? Egmont. Ich war gewarnt. Ferdinand. Und wie ich punktweise alle diese Beschuldigungen wieder in der Anklage fand, und deine Antworten! Gut genug, dich zu entschuldigen; nicht triftig genug, dich von der Schuld zu befreien - Egmont. Dies sei beiseite gelegt. Es glaubt der Mensch sein Leben zu leiten, sich selbst zu fö¼hren; und sein Innerstes wird unwiderstehlich nach seinem Schicksale gezogen. LaöŸ uns darö¼ber nicht sinnen; dieser Gedanken entschlag ich mich leicht - schwerer der Sorge fö¼r dieses Land! doch auch dafö¼r wird gesorgt sein. Kann mein Blut fö¼r viele flieöŸen, meinem Volke Friede bringen, so flieöŸt es willig. Leider wird's nicht so werden. Doch es ziemt dem Menschen, nicht mehr zu grö¼beln, wo er nicht mehr wirken soll. Kannst du die verderbende Gewalt deines Vaters aufhalten, lenken, so tu's. Wer wird das kö¶nnen? - Leb wohl! Ferdinand. Ich kann nicht gehn. Egmont. LaöŸ meine Leute dir aufs beste empfohlen sein! Ich habe gute Menschen zu Dienern; daöŸ sie nicht zerstreut, nicht unglö¼cklich werden! Wie steht es um Richard, meinen Schreiber? Ferdinand. Er ist dir vorangegangen. Sie haben ihn als Mitschuldigen des Hochverrats enthauptet. Egmont. Arme Seele! - Noch eins, und dann leb wohl, ich kann nicht mehr. Was auch den Geist gewaltsam beschö¤ftigt, fordert die Natur zuletzt doch unwiderstehlich ihre Rechte; und wie ein Kind, umwunden von der Schlange, des erquickenden Schlafs genieöŸt, so legt der Mö¼de sich noch einmal vor der Pforte des Todes nieder und ruht tief aus, als ob er einen weiten Weg zu wandern hö¤tte. - Noch eins - Ich kenne ein Mö¤dchen; du wirst sie nicht verachten, weil sie mein war. Nun ich sie dir empfehle, sterb ich ruhig. Du bist ein edler Mann; ein Weib, das den findet, ist geborgen. Lebt mein alter Adolf? ist er frei? Ferdinand. Der muntre Greis, der Euch zu Pferde immer begleitete? Egmont. Derselbe. Ferdinand. Er lebt, er ist frei. Egmont. Er weiöŸ ihre Wohnung; laöŸ dich von ihm fö¼hren und lohn ihm bis an sein Ende, daöŸ er dir den Weg zu diesem Kleinode zeigt. - Leb wohl! Ferdinand. Ich gehe nicht. Egmont (ihn nach der Tö¼r drö¤ngend). Leb wohl! Ferdinand. O laöŸ mich noch! Egmont. Freund, keinen Abschied. (Er begleitet Ferdinanden bis an die Tö¼r und reiöŸt sich dort von ihm los. Ferdinand, betö¤ubt, entfernt sich eilend.) Egmont (allein). Feindseliger Mann! Du glaubtest nicht, mir diese Wohltat durch deinen Sohn zu erzeigen. Durch ihn bin ich der Sorgen los und der Schmerzen, der Furcht und jedes ö¤ngstlichen Gefö¼hls. Sanft und dringend fordert die Natur ihren letzten Zoll. Es ist vorbei, es ist beschlossen! und was die letzte Nacht mich ungewiöŸ auf meinem Lager wachend hielt, das schlö¤fert nun mit unbezwinglicher GewiöŸheit meine Sinnen ein. (Er setzt sich aufs Ruhebett. Musik.) Sö¼öŸer Schlaf! Du kommst wie ein reines Glö¼ck ungebeten, unerfleht am willigsten. Du lö¶sest die Knoten der strengen Gedanken, vermischest alle Bilder der Freude und des Schmerzes; ungehindert flieöŸt der Kreis innerer Harmonien, und eingehö¼llt in gefö¤lligen Wahnsinn, versinken wir und hö¶ren auf zu sein. (Er entschlö¤ft; die Musik begleitet seinen Schlummer. Hinter seinem Lager scheint sich die Mauer zu erö¶ffnen, eine glö¤nzende Erscheinung zeigt sich. Die Freiheit in himmlischem Gewande, von einer Klarheit umflossen, ruht auf einer Wolke. Sie hat die Zö¼ge von Klö¤rchen und neigt sich gegen den schlafenden Helden. Sie drö¼ckt eine bedauernde Empfindung aus, sie scheint ihn zu beklagen. Bald faöŸt sie sich, und mit aufmunternder Gebö¤rde zeigt sie ihm das Bö¼ndel Pfeile, dann den Stab mit dem Hute. Sie heiöŸt ihn froh sein, und indem sie ihm andeutet, daöŸ sein Tod den Provinzen die Freiheit verschaffen werde, erkennt sie ihn als Sieger und reicht ihm einen Lorbeerkranz, Wie sie sich mit dem Kranze dem Haupte nahet, macht Egmont eine Bewegung, wie einer, der sich im Schlafe regt, dergestalt, daöŸ er mit dem Gesicht aufwö¤rts gegen sie liegt. Sie hö¤lt den Kranz ö¼ber seinem Haupte schwebend: man hö¶rt ganz von weitem eine kriegerische Musik von Trommeln und Pfeifen: bei dem leisesten Laut derselben verschwindet die Erscheinung. Der Schall wird stö¤rker. Egmont erwacht; das Gefö¤ngnis wird vom Morgen mö¤öŸig erhellt. Seine erste Bewegung ist, nach dem Haupte zu greifen: er steht auf und sieht sich um, indem er die Hand auf dem Haupte behö¤lt.) Verschwunden ist der Kranz! Du schö¶nes Bild, das Licht des Tages hat dich verscheuchet! Ja sie waren's, sie waren vereint, die beiden sö¼öŸesten Freuden meines Herzens. Die gö¶ttliche Freiheit, von meiner Geliebten borgte sie die Gestalt; das reizende Mö¤dchen kleidete sich in der Freundin himmlisches Gewand. In einem ernsten Augenblick erscheinen sie vereinigt, ernster als lieblich. Mit blutbefleckten Sohlen trat sie vor mir auf, die wehenden Falten des Saumes mit Blut befleckt. Es war mein Blut und vieler Edeln Blut. Nein, es ward nicht umsonst vergossen. Schreitet durch! Braves Volk! Die Siegesgö¶ttin fö¼hrt dich an! Und wie das Meer durch eure Dö¤mme bricht, so brecht, so reiöŸt den Wall der Tyrannei zusammen und schwemmt ersö¤ufend sie von ihrem Grunde, den sie sich anmaöŸt, weg! (Trommeln nö¤her.) Horch! Horch! Wie oft rief mich dieser Schall zum freien Schritt nach dem Felde des Streits und des Siegs! Wie munter traten die Gefö¤hrten auf der gefö¤hrlichen, rö¼hmlichen Bahn! Auch ich schreite einem ehrenvollen Tode aus diesem Kerker entgegen; ich sterbe fö¼r die Freiheit, fö¼r die ich lebte und focht und der ich mich jetzt leidend opfre. (Der Hintergrund wird mit einer Reihe spanischer Soldaten besetzt, welche Hellebarden tragen.) Ja, fö¼hrt sie nur zusammen! SchlieöŸt eure Reihen, ihr schreckt mich nicht. Ich bin gewohnt, vor Speeren gegen Speere zu stehn und, rings umgeben von dem drohenden Tod, das mutige Leben nur doppelt rasch zu fö¼hlen. (Trommeln.) Dich schlieöŸt der Feind von allen Seiten ein! Es blinken Schwerter; Freunde, hö¶hern Mut! Im Rö¼cken habt ihr Eltern, Weiber, Kinder! (Auf die Wache zeigend.) Und diese treibt ein hohles Wort des Herrschers, nicht ihr Gemö¼t. Schö¼tzt eure Gö¼ter! Und euer Liebstes zu erretten, fallt freudig, wie ich euch ein Beispiel gebe. (Trommeln. Wie er auf die Wache los- und auf die Hintertö¼r zugeht, fö¤llt der Vorhang: die Musik fö¤llt ein und schlieöŸt mit einer Siegessymphonie das Stö¼ck.)
Last-modified: Fri, 24 Jan 2003 11:57:01 GMT POEZIQ/GETE/egmont_germ.txt

Ïîëåçíûå ññûëêè:

Êðóïíåéøàÿ ýëåêòðîííàÿ áèáëèîòåêà Áåëàðóñè
Ëèáìîíñòð - ÷èòàé è ïóáëèêóé!
Ëþáîâü ïî-áåëîðóññêè (çíàêîìñòâà â Ìèíñêå, Ãîìåëå è äðóãèõ ãîðîäàõ ÐÁ)



Ïîèñê ïî ôàìèëèè àâòîðà:

À Á Â Ã Ä Å-¨ Æ Ç È-É Ê Ë Ì Í Î Ï Ð Ñ Ò Ó Ô Õ Ö × Ø-Ù Ý Þ ß

Ñòàðàÿ áèáëèîòåêà, 2009-2024. Âñå ïðàâà çàùèùåíû (ñ) | Î ïðîåêòå | Îïóáëèêîâàòü ñâîè ñòèõè è ïðîçó

Worldwide Library Network Áåëîðóññêàÿ áèáëèîòåêà îíëàéí

Íîâàÿ áèáëèîòåêà